14.04.2022
Katharina Gilles

Mit Kuchen zum Ziel

Spielen, basteln, toben – in der Kita ist immer was los. Doch ein Thema bleibt oft außen vor: das Miteinandersprechen. Unsere Autorin erzählt, warum wir Dialoge im Alltag mehr fördern sollten, was sie über die Kinder verraten – und welche Rolle Kuchen dabei spielt.

Ein neues Projekt steht an, die Kinder wollen den Turm fertig bauen und der nächste Ausflug muss geplant werden: In der Kita wird es nie langweilig. Bei all dem Trubel geht eines jedoch oft unter: der Dialog. Dabei sind Gespräche so wichtig! Mit ihnen können wir herausfinden, was Kinder bewegt, was sie beschäftigt und was sie interessiert. Für viele Fachkräfte scheint das Thema jedoch ein Buch mit sieben Siegeln. Warum ist das so?

Sehen wir uns zunächst die Handlung Sprechen an. In meiner Kita-Praxis unterscheide ich zwischen zwei Formen: 

1.        Zu Kindern sprechen

Zu Kindern sprechen ist einfach. Ich mache eine klare Ansage oder Aussage, oder ich gebe eine Info an die Kinder. Das lässt wenig Spielraum für Nachfragen. Das Kind soll die Aussage annehmen, ohne nachzufragen. Selbst wenn in diesem Moment eine Nachfrage des Kindes kommt, blocke ich sie im Kita-Alltag meist mit einer kurzen Antwort. Was das Kind zu sagen hat, wird meist nicht gehört. 2

2.       Mit Kindern sprechen

Beim Sprechen mit Kindern geht es darum, einen Dialog zu fuhren, Nachfragen zu stellen, sich auf Augenhohe zu unterhalten und Interesse an dem Kind zu haben. Im Dialog sprechen sowohl Kind als auch pädagogische Fachkraft – und die Fachkraft antwortet mit mehr als nur einsilbigen Sätzen.

Jeder kennt die Situation am Sandkasten: Ein Kind kommt auf die Fachkraft zugelaufen und halt ein mit Sand gefülltes Eimerchen in der Hand. Das Kind ruft: „Guck mal, ich hab dir einen Kuchen gebacken.“ Die pädagogische Fachkraft kann jetzt entscheiden, wie sie antwortet. Sie kann sich kurzhalten und sagen: „Hm, der Kuchen ist aber lecker, danke!“ Mit dieser Aussage entsteht allerdings wenig Spielraum für einen weiterführenden Dialog. Oder sie kann mit dem Kind in eine Interaktion gehen: „Hm, der Kuchen sieht ja lecker aus! Wie hast du den denn gebacken? Magst du mir zeigen, was du alles in den Teig getan hast?“, „Ui, der sieht ja lecker aus! Was ist das denn für ein Kuchen? Schokolade? Da haben wir aber Glück gehabt, mein Lieblingskuchen ist nämlich Schokolade! Was ist denn dein Lieblingskuchen?“ oder „Magst du Kuchen gern? Hast du zu Hause deinen Eltern schon mal beim Backen geholfen?“.

Ich hör dir zu

 In solchen Situationen ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten, mit einem Kind in Dialog zu treten. Der Dialog ist für mich als Pädagogin der beste Schlüssel, um eine Verbindung aufzubauen und zu erkennen, welche Interessen und Vorlieben das Kind hat. Durch mein Studium der Kindheitspädagogik habe ich erkannt, dass ehrliches Interesse und eine offene Haltung die beste Basis für den Dialog sind. In der Praxis habe ich jedoch oft erlebt, wie unterschiedlich Fachkräfte mit Kindern sprechen und dass der Dialog leider keinen hohen Stellenwert hat. In der ersten Kita, in der ich als Aushilfe tätig war, habe ich einen aktiven Umgang mit den Kindern gelernt. Die Fachkräfte waren ständig mit den Kindern im Dialog. Das hat mich beflügelt, mich während meines Studiums mit dem Philosophieren mit Kindern zu beschäftigen und es in die Praxis umzusetzen. Das Philosophieren hat mich in meiner Haltung und in der Art, einen Dialog zu fuhren, sehr geprägt.

Der Dialog birgt großes Potenzial. Das Kind ernst zu nehmen und sich für seine Vorlieben und Anliegen zu interessieren, ist ein wahrer Booster für den Bindungsaufbau. Wenn ich weiß, was das Kind mag, kann ich den Tag besser strukturieren, Angebote spezifisch umsetzen oder Dokumentationen weiterentwickeln. Im Dialog begebe ich mich auf eine Augenhohe mit dem Kind, nicht nur auf physischer Ebene. Dazu gehe ich in die Hocke und schaue ihm wahrend des Dialoges direkt ins Gesicht. Zudem stelle ich meine Meinung auf die gleiche Stufe wie die der Kinder. Dadurch erhalte ich Einblick in die kindliche Lebenswelt und kann mir ein differenziertes Bild machen.

Notwendig dazu ist eine offene und fragende Haltung. Die Haltung meint ein echtes und ernst gemeintes Interesse an den Kindern und den Wunsch, sie verstehen zu wollen. Mich treibt eine intrinsische Kraft an, mit den Kindern in den Dialog zu gehen, sie so besser kennenzulernen und dadurch mein pädagogisches Arbeiten zu scharfen. Ich habe gemerkt, dass Kinder die Haltung wahrnehmen und es sehr schätzen, wenn man sie nach ihrer Meinung fragt. Der Dialog ist für mich auch eine Form der Teilhabe und Partizipation. Wenn Fachkräfte den Kindern zuhören und ihre Meinungen annehmen, können sie den Kita-Alltag besser nach den kindlichen Bedürfnissen ausrichten. So können die Kinder aktiv teilhaben.

Erzählst du mir davon?

Auch wenn der Dialog essenziell für eine gelingende Sprachforderung ist, muss man beide Gebiete unterscheiden. Ich führe die Dialoge mit den Kindern nicht aus der Förderperspektive, sondern aus dem eignen Interesse an den Kindern und deren Lebenswelt.

Doch wie finde ich am besten mit den Kindern ins Gespräch? Durch Fragen. Wenn ich nachfrage, motiviere ich das Kind, sich zu artikulieren. Das Kind will seine Gedanken so ausdrucken, dass ich sie verstehen und nachvollziehen kann. Dazu muss es zuerst lernen, seine Gedanken zu sortieren und zu ordnen. Ich erkenne, wenn Schwierigkeiten entstehen, und versuche, durch weitere Fragen das Thema etwas herunterzubrechen. Damit kann ich dem Kind helfen, seine Gedanken zu strukturieren, und lenke es leicht in Richtung einer Antwort. Ich kann dafür einfach mit dem Fragenstellen anfangen: „Wie findest du das? Magst du das?“, „Wie hast du das gemacht? Erzählst du mir davon?“ oder „Kannst du erzählen, warum du das so gemacht hast?“

Wenn ich dem Kind am Sandkasten also antworte: „Ui, der sieht ja lecker aus! Was ist das denn für ein Kuchen? Schokolade? Da haben wir aber Glück gehabt, mein Lieblingskuchen ist nämlich Schokoladenkuchen! Was ist denn dein Lieblingskuchen?“, ist zu erkennen, dass ich das Kind direkt wahr- und ernst genommen habe. Solche Aufmerksamkeiten starken das Selbstwertgefühl des Kindes. Zeitgleich habe ich ihm auch meinen eigenen Standpunkt dargelegt – meinen Lieblingskuchen. Durch die Frage „Welchen Kuchen isst du denn am liebsten?“ habe ich dem Kind direkt eine weitere Anregung gegeben, worüber es nachdenken kann. Was mag das Kind lieber? Schokoladen-, Marmor- oder viel leicht Erdbeerkuchen? Auch wenn der Dialog-Impuls aus einem Sandkuchen entstand, kann das Kind über seine Lebenswelt nachdenken, und ich lerne das Kind noch besser kennen.

Wenn ich dann nachfrage, ob das Kind zu Hause beim Backen hilft, bekomme ich einen Einblick in die familiäre Welt des Kindes. Es erzählt mir, was es schon erlebt hat und was es schon kann. Wenn es mir erzählt, dass es oft hilft, kann ich mir mit meinem Team überlegen, ob ein hauswirtschaftliches Angebot für die Gruppe sinnvoll ist. So nehme ich das Kind wahr und setze die Impulse um. Dadurch bekommt das Kind eine Möglichkeit, mitzubestimmen, und wird selbstwirksam, woraus dann das Selbstbewusstsein wachsen kann.

Vielleicht kann die Antwort auch lauten: „Nein, ich hab das noch nie in echt gemacht.“ Dann bin ich als Dialogpartnerin an der Reihe. Das Kind kennt vielleicht die Zutaten noch nicht, die ein Kuchen braucht, oder kennt die Ablaufe beim Backen nicht. Ich frage das Kind: „Sollen wir zusammen mal überlegen, was man für einen Kuchen alles braucht?“ Wir versuchen gemeinsam einen Erkenntnisgewinn aus dem Dialog zu ziehen. Wenn wir nicht weiterwissen, können wir jederzeit ein Backbuch nehmen und nachlesen, andere Kinder fragen oder ein Projekt daraus machen. Ich gebe dem Kind keine Antworten vor, sondern gehe auf Augenhohe und wir überlegen gemeinsam, welche Antworten es gibt. Wenn das Kind über solche Fragen nachdenkt, kann es die Gedanken selbst in das eigene Weltbild integrieren. Das fällt den Kindern meist leichter, als eine vorgefertigte Antwort einer Fachkraft einzuordnen. Durch diese Form des Dialoges lernen die Kinder ihre Gedanken kennen, sie zu strukturieren und auch zu artikulieren. Denn ohne die Gedanken auszudrucken, kann kein Dialog stattfinden.

Kuchen mit Senf

Zudem ist es notwendig, die Antworten der Kinder anzunehmen, wie sie sind. Ich frage nach, bin wertschätzend, aber korrigiere sie nicht. Wenn ein Kind sagt: „In den Kuchen muss unbedingt noch Senf “, dann frage ich nach: „Bist du dir sicher, dass Senf noch in den Kuchen muss? Hast du das mal gesehen, dass jemand Senf in den Kuchen gemacht hat? Warum denkst du das denn?“ Ich stelle mich und mein Wissen nicht über die Kinder, sondern begegne ihnen als gleichwertiger Gesprächspartner. Diese offene, nicht voreingenommene Haltung hat auch Auswirkungen auf meinen pädagogischen Alltag neben den Kindern. Ich erlebe mich selbst als aktive und interessierte Zuhörerin, was sich auf das Gesprächsklima auswirkt. In Dialogen mit Eltern und Mitarbeitenden hat mir diese Haltung auch schon weitergeholfen. Es hat mir die Sorge vor Elterngesprächen genommen und ich kann entspannter in den Austausch gehen. Auch in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen bin ich gelassener geworden. Mich hat diese Form des Dialoges in allen Bereichen motiviert und bestärkt.

Dialoge brauchen Zeit

Dennoch gibt es Situationen, in denen der Dialog in den Hintergrund ruckt. Für einige Fachkräfte mag das Thema Dialog mühselig sein. Ein unterbesetztes Team, eine laute Kita- Gruppe oder unorganisierte Strukturen erhöhen den Stresspegel der Fachkräfte. Da ist es verständlich, dass sie den Tag einfach hinter sich bringen wollen. Diese Punkte müssen Fachkräfte und Leitung erst einmal erkennen. Denn nur wer Zeit und Motivation hat, kann Dialoge fuhren und damit Einblicke in die Erlebniswelt der Kinder bekommen und die Bindung stärken.

Auch für mich war es schon schwer. Ich habe gemerkt, dass ich weniger mit Kindern im Dialog bin, seitdem ich unser Kinderhaus leite. Bedingt durch Freistellung, viele Termine und unvorhergesehene Ereignisse ist es manchmal schwer, sich die Zeit für das Gespräch im Alltag zu nehmen. Seitdem ich das erkannt habe, fallt es mir leichter, damit umzugehen. Ich kann es den Kindern und den Kolleginnen auch klar mitteilen: „Es tut mir leid, gerade habe ich ganz viel zu tun. Wir können uns gern unterhalten, wenn ich fertig bin. Ich komme dann direkt zu dir.“ Sobald ich Zeit habe, suche ich das Gespräch mit ihnen. Manchmal muss auch ich mir aktiv die Zeit dafür nehmen. Es kann helfen, sich Zeiten in den Kalender zu schreiben, die man aktiv dafür nutzt. Zudem vertrete ich den Standpunkt, dass Kinder ihre Gedanken zu allem äußern sollen, was sie betrifft, auch als Form der Teilhabe und um für sich und die eigenen Bedürfnisse einzustehen. In manchen Situationen ist es jedoch nicht passend, und ich blocke einen Dialog ab. Bei einem Ausflug kann ich nicht darüber diskutieren, ob wir noch eine halbe Stunde langer bleiben, wenn der Bus wartet. In dieser Situation spreche ich zu den Kindern und erkläre ihnen, was wichtig ist. Ich mache klar, dass jetzt kein Platz für Dialog ist. Im Nachgang kann ich mit den Kindern dann das Gespräch suchen, warum sie bei dem Ausflug noch langer bleiben wollten. So nehme ich die Kinder und ihre Belange ernst und greife sie dann wieder auf, wenn ich Zeit und Platz für einen Dialog habe. Und vielleicht können wir den nächsten Ausflug dann auch flexibler planen.

Einfach loslegen Für mich ist es also besonders wichtig, passende Strukturen zu schaffen, damit Fachkräfte auch in einem stressigen Alltag gut und einfach mit den Kindern in den Dialog finden können. Außerdem rate ich jeder Fachkraft, einfach mit dem Sprechen anzufangen. Für Kinder ist es egal, ob man im Dialog geübt ist oder nicht. Kinder freuen sich, wenn sie diese Form der Aufmerksamkeit bekommen und die pädagogischen Fachkräfte sich Zeit für sie nehmen. Schafft die Rahmenbedingungen, räumt euch den Freiraum dafür ein, nehmt euch einfach die Zeit, und lasst euch auf die Kinder und ihre Lebenswelt ein. Die Kinder und ihre Ideen sind die beste Inspiration dafür!

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