31.03.2022
Eva Spalke

Wir brauchen noch eine Tür! Kitagründung in der Pandemie

Als wäre das Virus nicht schon genug, hatte Clarissa Wild vergangenes Jahr noch ganz andere Sorgen. Sie wollte eine Kita gründen – den ersten Streuobstwiesenkindergarten Deutschlands. Doch für den Bau fehlten Materialien und die Lieferpreise gingen durch die Decke. Hier erzählt sie, wie die Kita trotzdem öffnen konnte und wie der Pandemie-Alltag auf der Wiese heute ist.

Wann wollten Sie Ihre Kita eigentlich eröffnen?

Clarissa Wild: Ursprünglich war die Eröffnung im Frühjahr 2021 geplant. Zu dem Zeitpunkt, als die Pandemie gerade voll im Gange war. Es gab Ausgangssperren und weitere Einschränkungen. Wir hatten uns das Frühjahr als Eröffnungstermin ausgesucht, weil es draußen auf den Wiesen die schönste Zeit im Jahr ist. Alles wächst und fängt zu blühen an. Leider konnten wir aber erst ein halbes Jahr später, Mitte Oktober 2021, öffnen.

Woran lag das?

Zuerst hat der Bauantrag viel länger als geplant gedauert. Auf dem Bauamt gab es auch personelle Engpässe. Die größte Hürde aber waren die Handwerker und die Materialien. Der Markt war leer, Handwerker kaum zu kriegen und Materialien hatten zum Teil die doppelte Lieferzeit. Unsere Türen hätten zwölf Monate gebraucht. Wir haben dann zum Glück aber jemanden gefunden, der schon in fünf Monaten liefern konnte. Die Materialbeschaffung war die größte Herausforderung. Durch die Lieferengpässe sind auch die Kosten in die Höhe geschossen. In vielen handwerklichen Bereichen haben wir fast das Doppelte bezahlt. Deswegen haben wir uns irgendwann nach Gebrauchtem umgesehen und die Handwerker und Unternehmen sind uns zum Glück auch entgegengekommen. Sie haben uns unterstützt und zum Teil Sachen gespendet und die Arbeiten für die Kita vorgezogen, damit wir öffnen konnten.

Hatte die Pandemie noch weitere Auswirkungen auf Ihre Kitagründung?

Ich musste in der Pandemie zum Glück nicht nach neuen Fachkräften suchen – das Team stand schon. Vielleicht hätten sich aber auch mehr als sonst auf eine Stelle im Streuobstwiesenkindergarten gemeldet. Draußen arbeiten hat auch – gerade in einer Pandemie – Vorteile. Ein weiterer Punkt, den ich persönlich sehr schade finde, ist, dass wir wegen der Pandemie keine richtige Eröffnungsfeier machen konnten. Auch der Infotag für die Eltern musste unter speziellen Bestimmungen stattfinden. Ich hätte im Vorfeld gerne mehr Leute eingeladen, um ihnen die Kita zu zeigen. Viele Gespräche konnte ich noch im Sommer und draußen mit Abstand führen. Es hat Einschränkungen auf vielen Ebenen gegeben. Aber am Ende konnten wir gut damit umgehen.

Wie beeinflusst die Pandemie den pädagogischen Alltag auf der Streuobstwiese heute?

Wir verbringen die meiste Zeit auf einer unserer zwei Streuobstwiesen. Die Kinder können sich auf den Wiesen frei entfalten, toben, Bäume und Sträucher pflanzen oder im Kleintierzuchtverein nebenan die Tiere besuchen. Da wir den Alltag draußen verbringen, hat uns die Pandemie nicht direkt tangiert. Klar achten wir auch auf Hygienerichtlinien und testen. Weil wir im Freien sind, gibt es bei uns aber keine Maskenpflicht. Draußen ist die Ansteckungsgefahr nicht so hoch – wenn andere Krankheiten umgehen, dauern diese Wellen in der Regel auch kürzer als in konventionellen Kindergärten. So war das Arbeiten in der Pandemie bei uns insgesamt ein bisschen normaler als in anderen Kitas.

Wie setzen Sie die Hygienerichtlinien um?

Wir halten uns an die Standardregeln, die in Baden-Württemberg gelten. Wir haben einen Hygieneplan, der vorschreibt, welche Flächen und Räume wir wie oft putzen und desinfizieren müssen. Da geht es vor allem um den Sanitärbereich, um unsere Schutzhütte und um das Büro. Wir nutzen mit unserer Gruppe die Sanitäranlagen und Räume allein – das ist ein Vorteil gegenüber größeren Kindergärten. Händewaschen gehört auch dazu und jedes Kind wäscht sich beim Kommen und vor jedem Essen die Hände, oder auch, wenn es in die Hand niest. Wir Fachkräfte halten uns an die gleichen Regeln. Damit die Kinder nicht jedes Mal zum Händewaschen in die Schutzhütte laufen müssen, haben wir im Außenbereich eine Waschgelegenheit gebaut. Das ist ein Kanister mit Wasser und biologisch abbaubarer Seife. Im Winter befüllen wir den Kanister mit warmem Wasser, damit es nicht zu kalt ist.

Gibt es in den Innenräumen eine Maskenpflicht?

Wenn wir bei Sturm oder Kälte mit den Kindern in der Schutzhütte sind, gibt es für die Fachkräfte keine Maskenpflicht. Wir sind alle vollständig geimpft und können bei 100 Quadratmetern Abstand halten. Mir und dem Team ist es wichtig, dass die Kinder unsere Gesichter und unsere Mimik sehen. Die Eltern müssen beim Abholen aber ihre Maske aufbehalten. Während der Eingewöhnung bitten wir die Eltern zusätzlich, sich täglich zu testen. Alle Kinder werden bei uns dreimal die Woche getestet. Für die Fachkräfte liegen ebenfalls Tests bereit. Wenn wir Elterngesprächen im Innenraum durchführen, dann ebenfalls mit Maske, außer wir können den vorgeschriebenen Abstand einhalten. Soweit es geht, führen wir die Elterngespräche aber draußen.

Dürfen Kinder mit Krankheitsanzeichen kommen?

Im Moment ist es draußen noch kalt und da läuft schnell mal die Nase. Das ist normal. Wir schätzen im individuellen Fall ab, wie wir vorgehen. Wenn wir merken, das Kind ist wirklich krank und quält sich durch den Tag, lassen wir es abholen. Mit einer leicht verschnupften Nase kann es bleiben. Wir sind durch Corona sensibilisiert und auch unsere Eltern sind kooperativ. Wenn ich selbst krank, müde und abgeschlagen bin und dann draußen in der Kälte stehen muss, ist das anstrengend. Und so geht es den Kindern bei uns auch. Deshalb weisen wir die Eltern im Erstgespräch darauf hin, dass wir jeden Tag sechs Stunden im Freien verbringen. Im Zweifelsfall müssen sie dann abschätzen, ob ihr Kind fit genug ist, oder ob es besser zuhause bleibt. Das funktioniert bei uns im Alltag sehr gut.

Clarissa Wild ist Kitaleiterin des ersten Streuobstwiesenkindergartens in Deutschland. Ihre Kita Mucklas hat im Oktober 2021 in Helmsheim, Baden-Württemberg eröffnet.

 

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