03.07.2019
Redaktion
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Über Umwege zur Kindertagespflege

Immer noch wird Eltern manches unnötig schwer gemacht. Die Autorin sprach mit dem Vater einer Tochter über das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei wechselnden Arbeitszeiten, die Schwierigkeiten, bei einem Umzug einen neuen Betreuungsplatz zu finden und seine Erfahrungen in der Kindertagespflege, mit Krippe und Tagesmutter.

Text: Ellen Wolf, Foto: © wilworx – fotolia.de

Was Familien auf dem Weg der Kinderbetreuung bewegt, sorgt und beglückt

Familien stehen heute mehr denn je unter Druck. In der Arbeitswelt wird ein hohes Maß an Flexibilität gefordert, beide Elternteile wollen oder müssen erwerbstätig sein, Unterstützung durch Verwandte ist aufgrund großer Entfernungen nicht immer möglich und Kinderbetreuungsplätze sind vielerorts nicht ausreichend vorhanden. Auch wenn diese Aufzählung etwas plakativ klingen mag, stellt sich die Frage: Wie erleben Eltern das Betreuungsangebot für ihre Kinder? Ist es an die individuellen Bedarfe angepasst? Welche Erfahrungen machen Familien bei Orts- und Arbeitswechsel? Wie gestaltet sich dann die Suche nach einer passenden Kinderbetreuung?

Im Gespräch mit einem Familienvater wird deutlich, dass Familienwege sehr individuell verlaufen und es eine große Herausforderung an die Organisation der Kinderbetreuung darstellt, wenn die Familie den Wohn- oder Arbeitsort wechselt.

Wie sieht Ihr Familienalltag aus? Erzählen Sie mal!

Wir sind beide in Vollzeit berufstätig und lebten bis letztes Jahr noch in einer Großstadt. Unsere Tochter Isa ging dort in eine Kinderkrippe. Zu dieser Zeit musste meine Frau noch hauptsächlich Spät-, Nacht- und Wochenenddienste absolvieren. Dies erlaubte zwar kein richtiges "Familienleben", aber es ermöglichte uns, den Alltag mit Kind unter einen Hut zu bekommen, ohne dass wir auf unsere 140 Kilometer entfernt lebenden Eltern angewiesen waren. Für diese Krippe mussten wir etwas Wegezeit einplanen, da alle näheren Krippen entweder nur Halbtagsplätze anboten oder gar keinen Platz frei hatten. Unsere Tochter musste morgens zwischen 7:30 und 8:45 Uhr in der Krippe eintreffen, um noch am Frühstück teilnehmen zu dürfen. Die Krippe hatte bis 17 Uhr geöffnet. Durch den Schichtdienst meiner Frau und meinen Acht-Stunden-Job war es leider nie möglich, dass einer von uns Isa bringen und abholen konnte. So mussten jeden Tag beide Elternteile verfügbar sein. Als Familie konnten wir in dieser Zeit nur jedes zweite Wochenende etwas zusammen unternehmen und meine Frau sah Isa meistens nur morgens. Da unsere Wohnung Isa kein eigenes Zimmer bot, haben wir nach Alternativen geschaut und dabei ein Reihenhaus in einem 15 Kilometer entfernten Vorort gefunden. Die Zeit für die Fertigstellung unseres neuen Hauses betrug etwa ein Jahr. Wir dachten, das ist ein gutes Zeitfenster, um sich rechtzeitig für eine Kinderbetreuung in Wohnortnähe anzumelden.

Was ist dann passiert?

Nun folgte ein Problem nach dem anderen. Erst verschob sich die Fertigstellung unseres Hauses, was zu einer Doppelbelastung von Finanzierung und Miete führte. Dann bekamen wir eine Reihe von Absagen aller Ganztags-Kitas in der Umgebung unseres neuen Wohnortes. Der einzige verfügbare Kitaplatz lag im Nachbarort, wodurch wir uns ein zweites Auto hätten kaufen müssen, welches dann ausnahmslos dazu da gewesen wäre, Isa in die Kita zu bringen. Zudem hätten wir den Kitaplatz erst vier Monate nach dem Umzug bekommen.

Die bisherige Krippe teilte uns zwei Monate vor dem Umzug mit, dass wir den Platz verlieren werden, sobald wir in unserem Vorort gemeldet sind. Diese Nachricht erschütterte uns, denn sie bedeutete, ohne Kinderbetreuung dazustehen. Wir befürchteten, dass meine Frau ihren Job aufgeben müsste und wir dadurch das neue Haus finanziell nicht halten könnten. Kurz gesagt: Alles, was wir uns mühsam aufgebaut hatten, stand für uns plötzlich auf sehr wackeligem Boden.

Was hätten Sie sich in dieser Zeit gewünscht?

Zum einen hätten wir uns mehr und vor allem bessere Informationen zur Frage eines Betreuungsplatzes für unsere Tochter gewünscht. Zum anderen wäre eine bessere Vernetzung der Kommunen wirklich hilfreich gewesen. Stattdessen kam sowohl vonder bisherigen Kita-Leitung als auch von der Kita-Leitung unseres neuen Wohnortes nur die Aussage: "Da können wir leider nichts tun." Wir fragten uns: Warum gibt es keinen Umzugs-Service für Kita-Plätze? Alles, was es gebraucht hätte, wäre eine gemeinsame Plattform für freie Kapazitäten in Kitas gewesen und dass wir als Zugezogene nicht ganz unten auf die Warteliste gesetzt worden wären. Ob es an mangelndem Interesse, Unwissenheit der Verantwortlichen
oder an ineffizienten Systemen lag, weiß ich nicht. Jedenfalls hätten wir uns gewünscht, dass die kommunalen Vermittlungsstellen für Kinderbetreuung besser zusammenarbeiten.

Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?

Wir versuchten, Isa als Kindergartenkind unterzubringen, allerdings war sie mit zwei Jahren und neun Monaten zu jung dafür. Anders gesagt: viele Anrufe, Anträge und Behördengänge – und zum Schluss hatten wir immer noch keinen Kita-Platz.

Dann nahmen wir Kontakt zur Servicestelle Kindertagespflege vor Ort auf. Und das war das Beste, was wir machen konnten. Denn dort hatten wir zum ersten Mal das Gefühl, dass man uns und damit Isa wirklich helfen wollte.

Man muss dazu sagen, dass wir vorher erhebliche Bedenken hatten, was die Betreuung in der Kindertagespflege angeht. Uns war einfach nicht bewusst, welchen Ausbildungsstand die Tagesmütter haben, dass sie kontrolliert werden und welche Qualität in der Betreuung hier angeboten wird.

Diese Bedenken haben sich aber relativ schnell zerstreut. Wir erfuhren, dass für die Tätigkeit in der Kindertagespflege eine Qualifizierung benötigt wird, die mit einem entsprechenden Zertifikat endet und die Voraussetzung ist, um eine Erlaubnis für Kindertagespflege zu bekommen. Darüber hinaus werden sowohl vom Jugendamt als auch von den Fach- und Servicestellen vor Ort die Räumlichkeiten der Kindertagespflegepersonen überprüft und ihre konzeptionelle Arbeit fachlich begleitet.

Wie haben Sie die Betreuung in der Kindertagespflege erlebt?


Isa hatte bei ihrer Tagesmutter dann eine wunderbare Zeit. Sie freut sich heute noch riesig, wenn sie sie sieht, obwohl sie nur ein halbes Jahr bei ihr war. Zudem nehmen wir an den jährlichen Ausflügen für und mit den „ehemaligen“ Tageskindern teil und Isa sieht die Tagesmutter alle zwei Wochen durch den Spielkreis, der von der Servicestelle Kindertagespflege im Bewegungsraum der Kita angeboten wird. Dort trifft sich regelmäßig eine kleine Gruppe von Tagesmüttern mit ihren Tageskindern, die im gemeinsamen Spielen und Bewegen ein gut funktionierendes Netzwerk aufbauen. Auch die Kooperation zwischen Kindertagespflege und Kita wird so gestärkt.

Wir waren mit der Betreuung in der Krippe auch sehr zufrieden, aber die Betreuung mit Familienanschluss bei der Tagesmutter ist einfach großartig. Die Kinder lernen so viel aus dem alltäglichen Zusammenleben, ihre Bedürfnisse können, sehr individuell, durch die kleine Gruppe gestillt werden und sie können behutsam soziale Kontakte knüpfen mit allem was dazu gehört. Isa hat in dieser relativ kurzen Zeit bei ihrer Tagesmutter enorme Entwicklungsschritte gemacht, die ihr beim Übergang in die Kita sehr zugute kamen. Heute geht sie in die Kita, die sie schon durch die mit der Tagesmutter besuchten Spielkreise kennenlernen konnte, und fühlt sich richtig wohl. Die vielen Eingewöhnungen (die wir ihr gerne erspart hätten) in so kurzer Zeit liefen relativ reibungslos ab. Durch die sanfte Eingewöhnung bei der Tagesmutter fiel Isa der Betreuungswechsel leichter, als wir dachten.

Meine Frau konnte ihre Arbeitszeiten von Spät- und Nachtschichten auf Früh- und Tagdienste umstellen, sodass wir nun ein richtiges Familienleben führen können.

Der Weg bis hierher war sehr steinig und stressig, aber am Ende ist alles gut geworden.

Was würden Sie abschließend anderen Familien bei der Suche nach der passenden Kinderbetreuung mit auf den Weg geben?

Wenn sie die Zeit haben, dann sollten sie sich rechtzeitig über Betreuungsangebote informieren, ganz besonders dann, wenn der Wohnort gewechselt wird. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass man offen sein sollte für verschiedene Möglichkeiten, denn ohne diese Offenheit wären wir vielleicht nie in der Kindertagespflege angekommen, was für uns und ganz besonders für unsere Tochter ein Verlust gewesen wäre. Darüber hinaus wurde uns bewusst, wie wichtig es ist, bei aller Organisation des Familienalltags
nicht die Kinder aus dem Blick zu verlieren, denn sie zeigen uns, welche Betreuungsform für sie am stimmigsten ist – wann sie sich wohlfühlen.

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