22.11.2021
Annette Wunderlich

Nicht ins kalte Wasser werfen

Ein strukturierter Plan für die Einarbeitung hilft neuen Fachkräften, schnell ihre Rolle im Team zu finden.

Abendrunde im Fortbildungsseminar: zwanzig Erzieherinnen verschiedenen Alters sitzen beim Wein. Gesprächsthema ist der erste Tag in der Kindertagesstätte. Gelächter, ironische Zwischenbemerkungen, erstaunte Ausrufe, manchmal eine Prise Sarkasmus. Der erste Tag in der Praxis ist allen noch gut in Erinnerung. Theorien im Kopf, guten Willen im Herzen, Begeisterung im Gesicht. Und dann: „Es hat Wochen gedauert, bis der Träger mich begrüßt hat!“, sagt eine. „Ich habe vom ersten Tag an alleine gearbeitet“, erinnert sich eine andere. „Ich habe immer die Kinder gefragt, wer da durch die Einrichtung spazierte. Vorgestellt hat sich kaum jemand.“ Oder: „25 Dreijährige und ich kamen zusammen an. Alle haben geheult, ich beinahe auch.“ Erzieherinnenlatein? Oder Rückblick auf ein bestandenes Überlebenstraining? Nein, es ist leider allzu oft die Realität. Warum können so wenige Fachkräfte auf eine strukturierte Einarbeitungszeit zurückblicken?

Personalführung und -entwicklung gehören zu den Aufgaben der Leitung. Diese trägt die Verantwortung dafür, dass neues Personal sozial und fachlich integriert wird. Die Leitung sollte die Einarbeitung der neuen Fachkraft konzeptbezogen planen, um ziel- und erfolgsorientiert zu arbeiten. Gleichzeitig kann sie Aufgaben delegieren, um sich damit zu entlasten. Im besten Fall profitieren davon auch das Team und die neue Fachkraft.

Die neuen Fachkräfte kommen gerne und sie kommen freiwillig. Sie haben sich beworben mit der Absicht, in genau dieser Kindertagesstätte zu arbeiten. Aber auch sie haben Fragen, zum Beispiel:

  • Werde ich im Team gut aufgenommen, kann ich mich einfügen?
  • Finde ich mich zurecht, wo bekomme ich Orientierung?
  • Werde ich meine Aufgaben meistern und meine Arbeit gut erledigen?

Eine optimale Einarbeitung beantwortet viele Fragen

Viele Kindertagesstätten starten das Auswahlverfahren inzwischen mit einem Tag, an dem die Bewerberinnen und Bewerber in der Einrichtung hospitieren. So können sowohl das Team als auch die vielleicht neue Fachkraft erste Eindrücke gewinnen. Die Bewerberin kann Alltagsluft schnuppern, erste Aspekte der Arbeit erleben und Fragen zum Konzept stellen. Die Interessentin, der Interessent erlebt den Umgang mit den Kindern, lernt die Arbeit kennen und bemerkt eventuell erste Sympathien. Dies alles beeinflusst dann die Auswahlentscheidung im Vorstellungsgespräch.

Möglicher Ablauf einer Einarbeitung:

Vor dem ersten Tag:

  • Absprachen mit der neuen Fachkraft für den ersten Arbeitstag und Übersendung notwendiger Unterlagen für den Arbeitsbeginn
  • Ankündigung der neuen Fachkraft beim Team, bei den Eltern und Kindern
  • Verteilung der Aufgaben, eventuell Festlegung einer Patin oder eines Paten

Auch der Träger hat einige Aufgaben zu erfüllen. Er muss zum Beispiel den Arbeitsvertrag und die Dienstverordnung fertigstellen und Nachweise zum Impfschutz und zur Ersten Hilfe kontrollieren.

Am ersten Tag:

  • die Leitung begrüßt die neue Fachkraft
  • Vorstellung des Teams } Rundgang durchs Haus
  • Übergabe des Schlüssels
  • konkrete Aufgabe für den Tag
  • kurzes Gespräch am Ende des Tages

Innerhalb der ersten Woche:

  • Kennenlernen der Aufgaben und der Konzeption des Hauses
  • weitere Formalitäten bearbeiten
  • tieferes Eintauchen in Arbeitsprozesse und die pädagogische Arbeit

Nach den ersten zwei bis vier Wochen:

  • Einladung zum Gespräch, erste Rückmeldung fordern
  • fehlende und unvollständige Formalitäten ergänzen
  • Informationen festigen
  • Ausblick schaffen

Im weiteren Verlauf:

  • regelmäßige Gespräche zur Rückmeldung der Situation
  • Zeit für Fragen und Austausch

Bis zum Ende der Probezeit:

Zum Ende der Probezeit müssen die Kitaleitung und die neue Fachkraft über die Fortsetzung der Anstellung entscheiden. Liegen triftige Gründe vor, kann jede der beiden Seiten das Arbeitsverhältnis beenden. Der angenehmere Fall ist natürlich, wenn die neue Fachkraft sich gut eingefunden hat, im Team wohlfühlt und dieses ergänzt. Eine Patin oder ein Pate aus den Reihen der bewährten Fachkräfte kann die neue Erzieherin, den neuen Erzieher bei der Einarbeitung unterstützen. Sie steht der neuen Kollegin oder dem Kollegen für Fragen zur Verfügung, was auch die Leitung entlastet. Außerdem macht die Patin die neue Fachkraft mit dem Alltag, den Kindern sowie deren Eltern bekannt. Sie weist sie in die Regeln des Hauses ein und achtet darauf, dass der oder die Neue nicht unter- oder überfordert wird.

Regelmäßige Gespräche

Die Leitung braucht sowohl von der Patin als auch von der neuen Fachkraft regelmäßige Rückmeldungen. So erfährt sie, ob die neue Fachkraft mehr Unterstützung oder mehr Informationen braucht, ob sie mit Arbeitsweisen nicht zurechtkommt oder Fragen hat. Eine Checkliste mit wichtigen Informationen für neue Mitarbeitende vervollständigt den Einarbeitungsplan

Annette Wunderlich hat viele Jahre eine Krippe geleitet und ist derzeit als Erzieherin in einer Elementargruppe tätig.

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