30.04.2021
Petra Engelsmann

Du willst es, du kriegst es

Ein Ponyhof? Das ist der Kita-Alltag für das Fachpersonal sicher nicht. Projekte hier, Organisation da, Aufräumaktionen dort. Wie bekommt man das alles unter einen Hut? Aufgabenteilung ist hier gefragt – und zwar eine gerechte. Also alle machen alles, oder? Unsere Autorin sagt: „Bloß nicht!“ und erklärt, warum.

Was muss ein Mensch für die Arbeit in einer Kita mitbringen? Die Frage sollte wohl eher lauten: Was nicht? Die Arbeitsbereiche im Kita-Alltag sind so vielfältig wie in kaum einem anderen Berufsfeld. Fachkräfte sollen die ihnen anvertrauten Kinder bilden, fördern und betreuen. Dabei gilt es auch, den Kindern eine gute Begleiterin, ein guter Impulsgeber zu sein, sodass sie sich ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen entsprechend weiterentwickeln können. Aber auch jenseits der pädagogischen Aufgaben ist viel zu tun. Man muss das Haus pflegen, Materialien bestellen, die allgemeinen Dienste gerecht verteilen. Zusätzlich fallen hauswirtschaftliche Aufgaben wie Geschirrspülen und Wäschewaschen an. Auch räumen sich Bereiche wie Atelier, Bewegungsraum und Baubereich nicht von allein auf.

Die Arbeit einer Fachkraft erfordert also Allroundtalent. Bei dieser Vielfalt braucht es einen sorgfältigen Plan, um die Menge an Aufgaben auch erledigen zu können. Gleichzeitig gibt es nur wenige Allrounder, die gerne alle Aufgaben erfüllen. Und in diesem Spagat bewegt sich die gerechte Aufgabenverteilung im Kita-Team ständig. Die Frage „Wer übernimmt was?“ wirft gleichzeitig die Fragen auf „Wer macht was gerne und somit vielleicht besonders gut?“ und „Was ist mit den unliebsamen Aufgaben? Wie verteilen wir diese?“ Zusammenarbeiten und die Aufgabenverteilung sind in Kitas oft an eine restriktive Gerechtigkeit geknüpft, die nicht immer nur Vorteile mit sich bringt. Gerechtigkeit in Teams bedeutet in vielen Kitas eine exakt identische Aufgabenverteilung für alle und einen detailliert ausgearbeiteten Dienstplan, der bei Früh-, Mittel- und Spätdiensten jede und jeden berücksichtigt, um alles ja gerecht und gleichmäßig zu verteilen. Doch was sind eigentlich gerecht verteilte Aufgaben?

Eine starke Aufgabenverteilung

Ein Wort, das synonym für Gerechtigkeit verwendet wird, ist Fairness. Der Duden definiert Fairness als anständiges Verhalten, als gerechte, ehrliche Haltung anderen gegenüber. Ein Mensch verhält sich demnach fair, wenn er gerecht und ehrlich ist. Was also ist gerechtes und ehrliches Verhalten am Arbeitsplatz? Ist es gerecht und fair, jedem alles zuzumuten? Oder wäre es fairer und gerechter, den Menschen die Aufgaben zu geben, die Freude an deren Umsetzung haben? Ist es nicht sogar fair, gerecht und ehrlich, wenn ich mich als Langschläfer bekenne und mit Begeisterung den Spätdienst übernehme? Würde sich vielleicht eine andere Fachkraft aus dem Team freuen, wenn sie endlich nur noch Frühdienste machen dürfte, weil sie ohnehin morgens immer früh auf ist und es liebt, dann schon unterwegs zu sein? Eine bekannte Karikatur von Hans Traxler verdeutlicht nur allzu gut, wie unser Gerechtigkeitsbestreben uns doch hin und wieder selbst ein Bein zu stellen vermag.

Auf der Karikatur sind verschiedene Tiere zu sehen, die alle dieselbe Aufgabe bekommen. Sie sollen auf einen Baum klettern. Wie ein Fisch, ein Pinguin oder gar ein Elefant auf den Baum klettern sollen, bleibt ein Rätsel. Allein der Affe wird die Aufgabe leicht meistern. Und auch ein Team in einer Kita setzt sich aus unterschiedlichen Menschen zusammen. Sie haben – so wie die Tiere auf der Karikatur – verschiedene Fähigkeiten. So räumt der eine unglaublich schnell alles auf, eine andere schreibt gern Elternbriefe und wiederum eine andere pädagogische Fachkraft liebt es, tagtäglich mit den Kindern im Bewegungsraum zu sein, da sie hier ihre psychomotorische Grundausbildung wirklich in die Tat umsetzen kann.

Bleibt also die Frage, was eine gerechte Aufgabenverteilung in einem Kita-Team ist. Üblich ist, dass alle alles machen − vom Betreuen der Kinder über das Wickeln und Aufräumen bis zum Beleben der verschiedenen Bildungsbereiche. Doch bei vier, zwölf oder gar mehr Mitarbeiterinnen in einem Team stellt sich auch hier die Frage, ob es wirklich gerecht ist, wenn jede alles macht, oder ob das Arbeiten nach Stärken und besonderen Fähigkeiten nicht doch gerechter wäre, fairer und obendrein auch effektiver.

Der Weg zum Dream-Team

Um sich dieser anderen Art der Aufgabenverteilung zu nähern, beginnt ein Team am besten damit, das Wort Gerechtigkeit zu definieren und festzuhalten, was es unter einer gerecht verteilten Arbeit versteht. Um dem gerechten Verteilen von Aufgaben auf die Spur zu kommen, ist es daher hilfreich, im Team über genau dieses zu reden. Jedes Team sollte hinterfragen, was es unter Gerechtigkeit und fairem Handeln versteht. Mit diesem Dialog können die Fachkräfte dann auch offen und transparent über eigene Vorlieben sprechen. So lässt sich außer der Dienstverteilung ebenso das Verteilen von vermeintlich unliebsamen Aufgaben leichter lösen. Einer Person im Team ist es beispielsweise zuwider, das Geschirr abzuwaschen, während eine andere nur ungern den Schlafraum betreut. Im offenen Dialog können dann beide aussprechen, wie es ihnen bei den jeweiligen Aufgaben geht. Dabei dürfen sie Vorlieben und Ablehnungen offen darlegen. So kann sich die eine Person dazu bekennen, dass sie sich vor dreckigem Geschirr ekelt, aber unwahrscheinlich gern im Schlafraum ist und die Kinder dort betreut. Die andere Person hingegen darf einräumen, dass sie ihrer eigenen Meinung nach nicht ausreichend Ruhe hat, um den Kindern im Schlafraum zu geben, was sie benötigen. Gleichzeitig bekennt sie sich dazu, liebend gern den Abwasch zu erledigen, da sie darin eine Verschnaufpause in ihrer Arbeit sieht.

In diesem Beispiel ergänzen sich zwei völlig verschiedene Personen zu einem Dream-Team, wenn sie ihren Vorlieben und Stärken entsprechend arbeiten dürfen. Somit kann das Arbeiten nach den eigenen Stärken und Ressourcen für das gesamte Team sehr gewinnbringend sein. Diese Stärken gilt es als Ressource zu begreifen und gewinnbringend einzusetzen. In vielen Kita-Teams ist daher das Arbeiten nach Ressourcen wie ein ultimativer Schlüssel zum Glück!

Um diesen Schlüssel anzuwenden, braucht es eine offene und ehrliche Kommunikationskultur im Team. Es ist wichtig, die Aufgaben, die zu bearbeiten sind, klar zu benennen und hier Vorlieben und Abneigungen gleichermaßen zuzulassen. In dieser ersten Phase der gerechten Aufgabenverteilung bedarf es einer großen Transparenz, an der sich alle beteiligen sollten. Diese Transparenz braucht Offenheit und ein großes Vertrauensverhältnis unter den Kolleginnen und Kollegen, um das äußern zu dürfen, was einem gefällt und was einem eher missfällt. Vorlieben und Ablehnungen ohne Wertung zu akzeptieren, sind dabei besonders wichtig. Auf diese Art und Weise kann das Team die Aufgaben nach den Stärken jedes Einzelnen aufteilen. Unliebsame Aufgaben können sie im Wechsel erledigen, sodass es hier jede und jeden einmal trifft und dennoch am Ende des Tages alle Arbeiten erledigt sind. Diese unliebsamen Aufgaben lassen sich meist besser gemeinsam tragen, wenn die Basis der Arbeit auf einer Grundzufriedenheit beruht. Die Freude an den schönen Aufgaben überwiegt bei einer positiven Arbeitsatmosphäre, in der alle ihre Stärken ausleben dürfen.

Spaß im Alltag

Diese Freude an der Arbeit kommt auch den Kindern und den Eltern zugute. Sind pädagogische Fachkräfte voll in ihrem Element, wenn sie etwa im Atelier oder im Bewegungsraum sind, so transportieren sie in diese Bildungsbereiche eine ansteckende Freude und Begeisterung, die sich auf die Kinder überträgt. Eine pädagogische Fachkraft, die selbst Spaß beim Malen, Zeichnen und kreativen Werken hat, wird viel mehr Ideen in das Atelier einbringen und mit den Kindern umsetzen können als eine Person, die sich zunächst einlesen und intensiv vorbereiten muss. Das Gleiche gilt für eine Fachkraft, die sich gerne selbst sportlich betätigt oder vielleicht sogar eine Zusatzqualifikation mitbringt und so den Bewegungsraum gerne betreut. Während anderen das Rennen und Toben zu viel sein kann, ist es für sie wie Musik in ihren Ohren, wenn sich die Kinder wild im Bewegungsbereich austoben. Durch das Einsetzen und Beachten der eigenen Stärken und Vorlieben sind für einen selbst die Freude und die Begeisterung an der Arbeit vorhanden. Dies führt auch dazu, dass die Fachkräfte von sich aus mehr anbieten und vermehrt Impulse setzen, sodass sie die Kinder stärker anregen, Neues auszuprobieren. Das wiederum spiegelt sich auch bei den Eltern der Kinder wider, da sie die Freude und das Engagement der pädagogischen Fachkräfte durchaus wahrnehmen und sich ebenfalls begeistern lassen.

Das Arbeiten nach Ressourcen wirft jedoch auch die Frage auf, was wir tun können, wenn die Kollegin, die sich für einen bestimmten Bereich begeistert, nicht da ist wegen Urlaub, Fortbildung oder Krankheit? Für diese Zeiten darf sich jedes Team individuelle Lösungen überlegen. Verlässt jemand seinen Bereich, um die Kollegin zu ersetzen? Oder bleibt der Bereich der fehlenden Person besser geschlossen, bis diese wiederkommt? Hierzu gibt es keine allgemeingültige Antwort. So muss jedes Team besprechen, welche Fähigkeiten es ersetzen kann und will. Ist es nicht manchmal besser, etwas gar nicht zu tun, bevor es halbherzig getan wird?

So ist es mit dem Arbeiten nach Ressourcen wie beim sonstigen gemeinsamen Arbeiten auch: Fehlt jemand, so gilt es abzuwägen, welche Aufgaben nun auch mal liegen bleiben dürfen und welche das Team trotzdem unbedingt erledigen muss. Eine weitere Frage, die auftaucht, wenn alle nach Ressourcen und eigenen Stärken arbeiten, ist der Umgang mit Praktikanten und Auszubildenden. Sollten diese nicht alle Aufgaben kennenlernen? Und kann man ihnen nicht die eine oder andere völlig unliebsame, von allen im Team verhasste Aufgabe zuschieben? In einer Einrichtung, in der Gerechtigkeit und faire Aufgabenverteilung wichtig sind, sollte das nicht vorkommen. Auch junge Menschen haben schon ihre Stärken und Vorlieben. Gleichwohl sollen sie einen Rundumblick auf das Arbeitsfeld erhalten. Die Kita sollte Auszubildende, die länger in einer Einrichtung arbeiten, ebenfalls ressourcenorientiert einsetzen. So können die Auszubildenden lernen, wie vielfältig das Arbeiten in einer Kita ist, und gleichzeitig Neues ausprobieren. Und auch für die jungen Menschen gilt: Wenn sie etwas tun dürfen, das ihnen Spaß macht, und sie in ihrer Tätigkeit aufgehen, werden sie leichter über ihren Schatten springen und unliebsame Aufgaben oder neue Herausforderungen annehmen können. So lernen auch Auszubildende die Vorzüge von ressourcenorientiertem Arbeiten von Anfang an kennen. Die Gerechtigkeit bekommt dann von Beginn an eine besondere Note.

So lohnt abschließend nochmals der Blick auf die sieben Tiere, um zu erkennen, dass wir, wenn wir alle nach unseren eigenen Stärken und Schwächen arbeiten, viel mehr Gerechtigkeit und Fairness empfinden als mit einem minutiös ausgeklügelten Dienstplan oder einer restriktiven Verteilung von Aufgaben. Das Roulieren des pädagogischen Fachpersonals in verschiedenen Bildungsbereichen war gestern. Lösen wir uns heute von dem Gedanken, jeder müsse alles machen, und schauen wir auf das, was jeder einzelnen Person wirklich Freude macht.

 

Reflexionsfragen:

Wie wir Aufgaben gerecht verteilen

Für Sie

  • Was bedeutet für mich Gerechtigkeit?
  • Wo sehe ich meine Stärken − was fällt mir leicht und was mache ich gern?
  • Welche Dienste übernehme ich gern, welche weniger gern?
  • Was mache ich überhaupt nicht gern?

Für das Team

  • Was bedeutet für uns gerechtes Arbeiten?
  • Welche Aufgaben müssen wir verteilen?
  • Welche Dienste müssen wir verteilen?
  • Wo liegen die Stärken jedes Einzelnen und wie nutzen wir diese für die Aufgabenverteilung?
  • Wie verteilen wir Aufgaben, die keiner gern übernimmt?
  • Was tun, wenn jemand ausfällt?

 

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