26.11.2020
Lara Schindler

Jetzt erst recht! Digitalisierung in der Kita

Wenn Corona uns eins gezeigt hat, dann das: Wir brauchen digitale Medien – auch in der Kita. Wie Sie offen und wohlwollend digitale Kompetenzen erlernen, den Kindern so ein wertvoller Begleiter sind und sogar mehr Zeit für den engen persönlichen Kontakt mit den Familien bleibt, weiß unsere Autorin von der Hochschule Koblenz.  

Der digitale Wandel bestimmt unser aller Alltag – ganz besonders in Corona-Zeiten. Klar, dass der Gebrauch digitaler Medien längst auch einen umfangreichen Teil der Lebenswirklichkeit der Jüngsten einnimmt. Doch auch wenn Kinder den Umgang mit den digitalen Möglichkeiten schneller und müheloser lernen als Erwachsene, brauchen sie dabei kompetente Begleitung.

Wer nun denkt, die Aneignung von digitalen Kompetenzen im Grundschulalter reiche aus, liegt falsch. Ein verantwortungsvoller und kritischer Umgang damit muss bereits in den ersten Lebensjahren erlernt werden. Seit 2018 ist die digitale Kompetenz eine der acht Schlüsselkompetenzen lebenslangen Lernens, die vom Rat der Europäischen Union empfohlen werden. Der Rat definiert Schlüsselkompetenzen als Kompetenzen, die jeder Mensch für ein aktives Leben in der heutigen Gesellschaft benötigt und die von Kindesbeinen an erworben werden sollen. Kindertageseinrichtungen fungieren als familienergänzende Bildungseinrichtungen und sollten sich daher stets an den Bedürfnissen der Kinder orientieren und zum Wohle ihrer Entwicklung agieren. Die Konsequenz ist also die Auseinandersetzung der pädagogischen Fachpraxis mit allen Themen rund um Digitalisierung. Digitale Kompetenzen, neue Medien und digitale Endgeräte gehören heutzutage ebenso in die Kita wie Bauklötze, Puppen, Stifte und Scheren.

Chancen der Krise

Besonders in Corona-Zeiten zeigt sich, welchen Gewinn die neuen Medien mit sich bringen können. Prozesse, Kontakte und dadurch Bildung können damit, wenngleich in ungewohnter Form, aufrechterhalten werden. Auch die Prozesse und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Projekt Qualitätsentwicklung im Diskurs (QiD) des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit in Rheinland-Pfalz (IBEB) haben in diesen Zeiten eine Umstellung durchmachen müssen. Alle Treffen wurden in den digitalen Raum verlegt. Durch virtuelle Sitzungen, die Nutzung einer Online-Lernplattform und regen digitalen Austausch konnten Arbeitsprozesse fortgeführt und die Zeit der Schließungen im Frühjahr für die Qualitätsentwicklung der Einrichtungen genutzt werden.

Zu Beginn stellten Skepsis und hin und wieder auch Überforderung große Hürden dar. Stellenweise ließ auch die technische Ausstattung kaum eine Teilnahme am digitalen Geschehen zu. In solchen Situationen sind jedoch Kommunikation, Flexibilität und Aktivwerden gefragt. Mit zunehmender Nutzung verschiedener digitaler Möglichkeiten wie der Online-Lernplattform OpenOlat, virtuellen Meetings, Videos und Audios als Lernmaterial sowie Diskussionsforen zum Austausch änderte sich die teils negative Grundeinstellung aber schnell.

Trotz räumlicher Entfernung gelang die Kommunikation und somit die Teilhabe am sozialen Leben. Aussagen von Teilnehmenden wie: „Wenn man einmal weiß, wie es geht, ist es gar nicht so schwer“ oder „Wir sind durch die Online-Meetings zusammengewachsen“ zeigen, dass Veränderungen auch Gewinne mit sich bringen. Die Corona-Krise kann somit als Chance für ein längst überfälliges Bewusstwerden der Bedeutung digitaler Möglichkeiten angesehen werden.

Die Lehren aus einer Zwangsdigitalisierung

Durch das Bewusstmachen der Bedeutung der Digitalisierung – eben auch im Kontext der Frühpädagogik – stellt sich konsequenterweise ein adäquates Handeln aller Beteiligten ein. Lehren, die sich aus der Krisenzeit und den damit einhergehenden Veränderungen ergeben, münden in Taten, wenn pädagogische Fachkräfte

  • aufgeschlossen und lernbereit sind,
  • sich mit digitalen Medien auseinandersetzen, sie nutzen und Grundlagenwissen erwerben und sich damit
  • digitale Kompetenzen aneignen.

Auch die Träger sind gefordert, den Einrichtungen die notwendigen Grundlagen für die Digitalisierung zu liefern, indem sie

  • für funktionstüchtige technische Ausstattungen der Einrichtungen sorgen,
  • Ressourcen für den Support und die Weiterbildung der Fachkräfte bereitstellen,
  • Veränderungen zulassen und unterstützen.

Fakt ist auch: Der digitale Kontakt kann den persönlichen Kontakt zwischen Menschen nicht ersetzen. Als Ergänzung eignen sich digitale Medien allerdings sehr gut, um Abläufe zu erleichtern und zu verbessern.
Um Kindern und Familien die bestmögliche Unterstützung zu bieten, sind digitale Ergänzungen heute ein Muss. Hierfür finden sich vielfältige Möglichkeiten. Durch die Verwendung von E-Portfolios, bei denen die Entwicklungsdokumentation der Kinder über ein Tablet-Programm erfolgt, bei dem die Kinder mitgestalten können, werden nicht nur der Umgang mit den digitalen Endgeräten geschult, sondern darüber hinaus die Partizipation und Kreativität der Kinder gefördert. Mit Kameras und Mikrofonen lassen sich die verschiedensten Situationen in Video- und Audioformat aufnehmen. Ob die Kinder den Besuch bei der Feuerwehr, das Sommerfest, den Morgenkreis, die Sandburg oder das Zwitschern der Vögel aufnehmen – jede Aufnahme kann anschließend zur Dokumentation, für Lerngeschichten, zur Transparenz für Eltern und als Anstoß für Projekte im Sinne des situationsorientierten Arbeitens verwendet werden. Durch den Einsatz geeigneter Apps können Tablets auch bei der Sprachförderung genutzt werden.

Die Digitalisierung der Organisationsebene bringt nicht nur mehr Flexibilität und ist ressourcenschonend, sie fördert auch engere Kontakte zu Kindern und Familien und ermöglicht mehr Zeit für die essenzielle Arbeit mit Kindern. Durch die Verwendung digitaler Tools für organisatorische Angelegenheiten wie E-Mails zur An- und Abmeldung der Kinder erhöht sich die Flexibilität der Eltern. Der Einsatz von Sprachübersetzungstools via Tablet erleichtert die Kommunikation mit anderssprachigen Eltern. Darüber hinaus sparen digitale Organisationswerkzeuge wie Excel-Tabellen nicht nur Zeit und Personal ein, sondern erübrigen auch den Gebrauch von unzähligen Blättern für Essenslisten oder Infozettel. Außerdem ermöglichen digitale Kommunikationsangebote zur Videotelefonie, den Kontakt zu Kindern und Familien auch bei längerer Abwesenheit, wie bei einem Krankenhausaufenthalt eines Kindes, zu pflegen. Letztlich können Abläufe durch den Einsatz digitaler Anwendungen vereinfacht und verkürzt werden, sodass mehr Zeit und Kraft für die primär wichtige Arbeit mit den Kindern bleibt. Schon wenige veränderte Abläufe durch die Nutzung digitaler Lösungen kommen Kindern, Familien, Team und Umwelt zu Gute.

Eine funktionierende Nutzung digitaler Angebote kann allerdings nur dort gelingen, wo digitale Kompetenzen vorhanden sind. Bevor den Kindern digitale Medien nahegebracht werden und bevor Organisationsabläufe digitalisiert werden, bedarf es der Schulung der digitalen Kompetenzen der Fachkräfte. Nur so kann die Digitalisierung in der Kita sinnstiftend in die Tat umgesetzt werden.

Drei Tipps für den Umgang mit digitalen Medien

Für den Umgang mit den digitalen Medien lassen sich unzählige Tricks und Klicks in den Weiten des Internets finden. Grundlegend betrachtet ist eine kritische, reflektierte und aufgeschlossene Haltung die Grundvoraussetzung für die Anwendung der neuen Medien in allen Situationen des Kita-Alltags. Zusätzlich wird insbesondere Folgendes benötigt:

  1. Wohlwollen: Treten Sie zugewandt, positiv und offen an das Digitale heran und lernen Sie Medien, Geräte, Programme und Werkzeuge kennen. Geben Sie sich und den digitalen Lösungen eine Chance, um deren Vorzüge in Bezug auf Ihre Arbeit überhaupt kennenzulernen.
  2. Kreativität und Flexibilität: Seien Sie kreativ und flexibel in der Nutzung der digitalen Möglichkeiten. Es gibt nicht das einzig wahre Ausstattungspaket oder die eine Anwendungsmöglichkeit für ein Medium. Vielmehr ist es wichtig, den passenden Umgang und die entsprechenden Geräte für Ihre Einrichtung zu finden, um auf die Bedarfe aller Beteiligten eingehen zu können.
  3. Vertrauen: Haben Sie bei all dem Neuen, das die Digitalisierung für jeden von uns mitbringt, Vertrauen in sich, Ihre Fähigkeiten und auch die Ihres Umfeldes. Lernen gelingt über Erfahrung. Gleich welches Alter oder Vorerfahrungen, die Nutzung von Computer und Co. werden Sie erlernen, indem Sie sich herantrauen und eigene Erfahrungen machen. Die Hilfe von Kolleginnen und Kollegen fördert dabei auch noch den kollegialen Austausch.

Lara Schindler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit der Hochschule Koblenz (IBEB).

Hintergrundinfo: Wie wird am IBEB gearbeitet?

Das Institut ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule Koblenz, das die Weiterentwicklung der Qualität der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz zum Ziel hat. Das IBEB arbeitet im Bereich des Transfers zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Trägerverantwortung zur Stärkung des kompetenten Systems im Bereich der Kindertagesbetreuung. Es will Forschung, Lehre und Praxis verzahnen. Im Forschungsprojekt „QiD – Digitale Kompetenzen“ entwickelt das Institut seinen Ansatz „QiD – Qualitätsentwicklung im Diskurs“ weiter. QiD richtet sich an Fachkräfte, Leitungen und Träger und regt an, möglichst viele Personen – Kinder, Familien, Träger und Sozialraumbeteiligte in die Qualitätsentwicklung einzubeziehen. Im Zuge des Projektes „QiD – Digitale Kompetenzen“ wurde eine digitale Ergänzung zum bestehenden QiD-Ansatz mittels einer Online-Lernplattform entwickelt, um die digitalen Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte zu schulen. Durch die Corona-Krise hat eine erste, nicht geplante Erprobung des Formates stattgefunden, die für den weiteren Verlauf des Forschungsprojektes wichtige Erkenntnisse lieferte. Festgestellt wurde insbesondere, dass die Einbindung digitaler Elemente in der pädagogischen Fachpraxis sehr wohl funktioniert, auch wenn es die Beteiligten Überwindung kostet. Der persönliche Kontakt ist jedoch in jeder Form essenziell und kann nicht ersetzt werden.

Zum Weiterlesen:

Bostelmann, Antje (2019): Medienpädagogik in Kindergarten und Grundschule. 23 Ideen für die Bildungsarbeit mit 4- bis 8-jährigen Kindern. Berlin: Bananenblau.

Didacta Verband e. V. (Hrsg.) (2018a): Der Einsatz neuer Technologien in der frühen Bildung. Herausforderungen und Perspektiven. Bildung braucht digitale Kompetenz. Band 1. https://bildungsklick.de/fileadmin/user_upload/www.bildungsklick.de/Bilder/__Einzelne_Bilder/2020/04_2020/didacta_Publikation_Bildung_braucht_digitale_Kompetenz_Band1_20180703.pdf (zuletzt eingesehen am 08.09.2020 MESZ 17:21).

Didacta Verband e. V. (Hrsg.) (2018b): Digitale Technik und interaktive Medien als Ressourcen in frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Bildung braucht digitale Kompetenz, Band 3. https://bildungsklick.de/fileadmin/user_upload/www.bildungsklick.de/Bilder/__Einzelne_Bilder/2020/04_2020/didacta_Publikation_Bildung_braucht_digitale_Kompetenz_Band3_NAEYC_20180703.pdf (zuletzt eingesehen am 08.09.2020 MESZ 17:25).

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2014): miniKIM 2014. Kleinkinder und Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger in Deutschland. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/miniKIM/2014/Studie/miniKIM_Studie_2014.pdf (zuletzt eingesehen am 05.09.2020 MESZ 12:08).

Lepold, Marion; Ullmann, Monika (2018): Digitale Medien in der Kita. Alltagsintegrierte Medienbildung in der pädagogischen Praxis. Freiburg im Breisgau: Herder.

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