23.09.2020
Herbert Vogt

Wenn Fachkräfte pädagogisch uneins sind

Wenn Kolleginnen, die in der Kindergruppe zusammenarbeiten, unterschiedliche Auffassungen in pädagogischen Fragen haben, kollidiert das in ihrem Handeln und macht es notwendig, nach Lösungen zu suchen. Gelingt dies, hatten sie ein „schönes“ Problem, nämlich eines, das sie weitergebracht hat.

Das Beispiel: Essen auftun – Kinder oder Erzieherinnen?

Die Kindergruppe versammelt sich täglich am Esstisch. Einige Kinder helfen dabei, Geschirr und Besteck zu decken. Erzieherin Nicole stellt die Schüsseln mit dem Essen dazu und möchte am liebsten, dass sich die Kinder selbst aussuchen, was sie essen möchten, und sich das Essen selbst auftun. Auch ihr Getränk sollen die Kinder eigenständig eingießen. Ihr ist die Verselbstständigung der Kinder wichtig. Kollegin Jennifer will die Kinder lieber bedienen. Ihr kommt es darauf an, dass nicht immer so viel aufgewischt werden muss und keine Lebensmittel verschwendet werden. Beide kennen ihre jeweiligen Einstellungen und halten sie für unvereinbar. Sie erleben die Essenssituation entsprechend angespannt, haben aber bisher keine Lösung gefunden. Ein einheitliches Vorgehen in der ganzen Einrichtung gibt es nicht.

Das Problem

Nicole und Jennifer befinden sich in einem Dilemma: Beide sind gleichberechtigt und können ihre Auffassungen begründen. Beide haben aber auch das Bedürfnis, ihr Problem zu lösen und miteinander gut auszukommen. Keine kann und will über die andere bestimmen. Bei der Lösungssuche geht es daher nicht um harmonische Absprachen, sondern um die Auslotung von Möglichkeiten, Blockaden, Frust und darum, ungewollte Auswirkungen auf die Kinder zu vermeiden.

Das könnten Nicole und Jennifer probieren:

  • Ihre guten Gründe genau erkunden: Welche Bedürfnisse, Erfahrungen und Werte leiten sie, wenn es um die Essenssituation geht? Ein besseres Verstehen der persönlichen Motive und Grenzen wirkt einer Verhärtung in der Auseinandersetzung entgegen.
  • Kompromissbereitschaft signalisieren, nicht absolut auf dem eigenen Standpunkt beharren.
  • Kompromisse eingehen, etwa so:
    1. Ich mache es so, du machst es so und das erlauben wir uns gegenseitig.
    2. Diese Woche machen wir es, wie du willst, nächste Woche, wie ich will. 
    3. Wir differenzieren nach Fähigkeiten der Kinder und erteilen unterschiedliche Erlaubnisse. 
    4. Wir differenzieren nach Art der Speisen, wann wir für die Kinder auftun und wann sie sich selbst nehmen dürfen.
  • Sie vereinbaren einen Erprobungszeitraum, in dem es grundsätzlich nach der Vorstellung einer von beiden läuft, und danach wird ausgewertet.
  • Sie bringen das Problem in die Teambesprechung ein und streben eine einheitliche Lösung für alle Gruppen an. —— Sie erkundigen sich nach Erfahrungen anderswo, um mehr Sicherheit zu gewinnen.
  • Sie beziehen die Kinder ein, indem sie ihr Dilemma offenlegen und die Kinder nach Lösungsideen fragen. In jedem Fall vermitteln sie den Kindern, was sie vereinbart haben und praktizieren wollen.

Der offene Umgang mit der Verschiedenheit dürfte jedenfalls die Beziehung zwischen Nicole und Jennifer entspannen, und das merken nicht zuletzt auch die Kinder.

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