05.10.2022
Isgard Rhein

Wenn das Jugendamt klingelt … – Über angemeldete und unangemeldete Hausbesuche

Unter welchen Voraussetzungen darf eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Jugendamts eine Tagespflegestelle aufsuchen?

Angekündigte Besuche

Ein vereinbarter Hausbesuch findet zunächst im Rahmen der Erlaubniserteilung zur Kindertagespflege statt. Eine Erlaubnis ist nach § 43 SGB VIII zu erteilen, wenn die Kindertagespflegeperson geeignet ist. Diese personengebundene Erlaubnis sieht dann zwei Schwerpunkte in den Voraussetzungen vor. Der eine Bereich betrifft die Person, die die Betreuung ausführen möchte, sie muss nachweisen, dass sie sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Kindertagespflegepersonen auszeichnet. Für die Erlaubnis ist außerdem erforderlich, dass sie über kindgerechte Räumlichkeiten verfügt. Dabei können diese Räume in ihrem eigenen Haushalt liegen oder an anderen Orten, etwa in einem Ladengeschäft, einer Einliegerwohnung oder innerhalb eines Vereins zur Familienförderung. In jedem Fall müssen die Räume kindgerecht sein, hierbei muss ein Mindeststandard gewährleistet sein. Da das Bild einer perfekten Betreuungssituation subjektiv geprägt ist, kann es keine optischen Forderungen geben. Hier zählt der Elternwille – zu jedem Topf findet sich der passende Deckel.

Wann Räume tatsächlich nicht geeignet für eine Betreuung sind, beziehungsweise eine Eignung auch nicht – etwa durch Sicherungsmaßnahmen – hergestellt werden kann, ist vom Einzelfall abhängig.

Mit den Voraussetzungen der Erlaubniserteilung ergibt sich für den zuständigen öffentlichen Jugendhilfeträger ein staatliches Wächteramt, vgl. § 1 Abs. 2 SGB VIII. Ziel ist dabei, abzusichern, dass Tageskinder nur dort betreut werden, wo sie in ihrer Entwicklung nicht gefährdet sind. Kinder haben nämlich ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Für das Jugendamt bedeutet dies: Es muss sich einen Eindruck von den Räumen verschaffen können, um zu prüfen, ob sie kindgerecht sind. Daraus ergibt sich noch nicht das Recht, die Räume der Kindertagespflegeperson betreten zu dürfen; bei einer Weigerung kann allerdings auch nicht die Voraussetzung der Erlaubnis geprüft werden.

Grundsätzlich gilt im Wohnraum ein besonderer Schutz, der sogar in Art. 13 Grundgesetz (GG) verankert ist. Zur Klarstellung haben einige Landesgesetze dieses Thema aufgegriffen und verweisen darauf, dass Beschäftigten und Beauftragten des Jugendamtes Zutritt zu den Räumen zu gestatten ist. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Artikel 13 Absatz 1 GG wird insoweit eingeschränkt (vgl. beispielweise § 22 Abs. 7 Kinderbildungsgesetz NRW oder § 18 Abs. 6 NKiTaG).

Ein solches Betreten der Wohnung sollte aber angekündigt erfolgen. Zur Besichtigung müssen dann alle Räume, die zur Betreuung der Kindertagespflege eingesetzt werden, zur Verfügung stehen. Ein Besuch des Schlafzimmers des Ehepartners, welches nicht für die Tageskinder zugänglich ist, ist daher für die Bewertung nicht erforderlich. Inwieweit die Prüfung durch das Jugendamt selbst ausgeführt wird oder ob zum Beispiel ein Verein vor Ort die Vorbereitung der Überprüfung und damit auch den Besuch der Räume ausführt, ist deutschlandweit sehr unterschiedlich geregelt.

Unangekündigte Besuche

Zu einem unangekündigten Besuch in der Kindertagespflegestelle wird es in der Regel erst nach der Erlaubniserteilung kommen. Eine abschließende Aufstellung, wie das Jugendamt die Betreuung der Tageskinder überprüft, gibt es nicht. Da aber das SGB VIII in § 104 eine Ordnungswidrigkeit vorsieht, wenn jemand ohne Erlaubnis nach § 43 Absatz 1 SGB VIII Kinder betreut, kann sich hier eine Ausnahme ergeben. Die Erlaubnis setzt neben dem Schutz von Kindern auch Sachkompetenz und ausreichende Qualifikation voraus, die das Jugendamt überprüfen muss. Dies wird vor Aufnahme der Tätigkeit geprüft, in Einzelfällen kann es aber auch danach zu einer erneuten Prüfung kommen. Dagegen stehen die Persönlichkeitsrechte der Kindertagespflegeperson, sodass nur bei gut begründeten Umständen ein unangekündigter Besuch erfolgen wird, etwa bei konkreten Hinweisen auf (inzwischen eingetretene) Nicht-Eignung durch eine seit der Erlaubniserteilung veränderte Situation bei der Kindertagespflegeperson.

Da die Erlaubnis für fünf Jahre zu erteilen ist, hat die Kindertagespflegeperson den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über wichtige Ereignisse zu unterrichten, die für die Betreuung eines Kindes oder aller Kinder in der Tagespflegestelle bedeutsam sind (§ 43 Abs. 3 SGB VIII). Fällt beispielsweise wegen baulicher Maßnahmen oder eines Rohrbruchs ein Betreuungsraum längerfristig aus, ist das Jugendamt zu informieren. Ob ein Besuch vor Ort dann tatsächlich ohne Terminvereinbarung erfolgen muss, hängt von der Eilbedürftigkeit des Einzelfalles ab. 


Infos zur Kindertagebetreuung auf Ukrainisch

Viele Menschen sind in den letzten Monaten auf der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Deutschland gekommen und viele kommen weiterhin, darunter viele Kinder. Das hessische Sozialministerium bietet auf seiner Homepage ein Infoblatt in deutscher und ukrainischer Sprache mit Erläuterungen zur Kindertagesbetreuung in Kindertagespflege und Kita an. Die Orientierungshilfe kann kostenlos heruntergeladen werden unter: https://soziales.hessen.de/kinder-und-jugendliche/ fruehkindliche-bildung/mama-was-ist-krieg


Findet beispielsweise eine Betreuung nicht abgesprochen in anderen Räumen in der Nachbarschaft statt, mag das für die Eltern praktisch sein, es werden aber Räume genutzt, die nicht vorab auf die kindgerechte Eignung geprüft wurden. Mit Blick auf eine eventuelle Ordnungswidrigkeit könnte hier ein unangekündigter Hausbesuch möglich sein.

Auch ein anlassbezogener Hinweis, zum Beispiel von abgebenden Eltern, die genehmigte Anzahl von fünf gleichzeitig anwesenden fremden Kindern sei überschritten, kann die Voraussetzung eines Besuches ohne Termin auslösen. Ein weiterer Anlass für unangekündigte Besuche ist auch immer wieder die Zuordnung der betreuten Kinder zur Kindertagespflegeperson in einer Großtagespflegestelle. Auch eine Großtagespflegestelle erhält keine einrichtungsbezogene Erlaubnis wie eine Kita. Die zuständige Kindertagespflegeperson muss mit ihren Kindern vor Ort sein, ein verabredeter Frühdienst für alle Kinder durch Person A und ein Spätdienst durch Person B ist nicht zulässig. Für diese Art von Fällen müssten aber, wegen des Eingriffs in den Bereich der Persönlichkeitsrechte der Kindertagespflegeperson konkrete Hinweise auf ein Fehlverhalten vorliegen.

Abgesehen davon, dass ein Austausch vor Ort oft wünschenswert ist, stellt sich daher aus Sicht des Jugendamts vor einem Besuch immer die Frage, was die mildeste Form des Eingriffs in den Bereich der Tagespflege darstellt; dies gilt auch bei einem angekündigten Besuch, der zu geeigneten Zeiten und nicht etwa während des Mittagessens der Kinder erfolgen sollte. 

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