04.10.2022
Thomas Pappritz, Björn Sturm

Sicher ankommen an fremden Ufern – So gelingt die Einarbeitung von neuen Kolleg:innen

Die erste Zeit am neuen Arbeitsplatz – entspannt oder furchtbar? Entscheidender Faktor: das Team. Es ist für eine positive Willkommenskultur und gute Einarbeitung verantwortlich. Wie Sie gemeinsam reflektieren, ob es die in Ihrer Kita gibt, was man bei Quereinsteiger:innen beachten sollte und warum ein Kopfstand hilft, lesen Sie hier.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag in der Kita erinnern? Wer waren Ihre Ansprechpartner:innen? Haben die Kolleg:innen Sie freundlich aufgenommen? Welche Gefühle hatten Sie? Mit dem ersten Arbeitstag fängt für viele Menschen ein neuer Lebensabschnitt an. Die einen haben den Wunsch, Teil eines Teams zu werden, einen wunderbaren Raum für Kinder sowie Familien zu schaffen und für sich einen guten Arbeitsort zu gestalten. Die anderen beginnen eine mehrjährige Berufsausbildung. Und für einige stellt der Tag gar einen Wendepunkt in ihrem Leben dar. Sie haben die bewusste Entscheidung getroffen, sich beruflich neu zu orientieren und als Quereinsteiger: innen in einer Kita zu lernen sowie zu arbeiten.

Mit der gelungenen Einarbeitung beschäftigt sich auch ein zweijähriges Projekt (2021–2022). Bei diesem entwickeln fünf Projektkitas ihre Teamprozesse mit Fokus auf multiprofessionelle Zusammenarbeit und Quereinstieg weiter. Begleitet werden sie hierbei von dem Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi). In diesem Artikel berichten wir von Erfahrungen aus dem Pilotprojekt.

Fragen, die sich uns stellten: Was braucht es, damit sich die neuen Kolleg:innen gut ein- und zurechtfinden? Was kann ein Team tun, um Unsicherheit in Vorfreude auf den nächsten Tag umzuwandeln? Es gilt: Was für mich selbstverständlich ist, ist es für neue Kolleg:innen nicht. Daran anschließend geht es im Text um die Einarbeitung neuer Fachkräfte und daran anknüpfend den Weg zum multiprofessionellen Team, der hier beginnt. Dafür braucht man das Engagement aller und muss strukturiert vorgehen. Denn der Prozess ist kein Selbstläufer, insbesondere wenn diese Entwicklung auf eine angespannte Personalsituation trifft.

Eine Zuckertüte für Große

In den am Projekt beteiligten Berliner Kitas haben sich am ersten Tag der Einarbeitung verschiedene Strategien und Methoden bewährt. So werden neue Kolleg:innen zum Beispiel mit einem Aufsteller am Eingang, einem Blumenstrauß oder einer Zuckertüte begrüßt. Das Team achtet darauf, dass es Platz für private Gegenstände gibt und man diesen nicht erst freiräumen muss. Die Leitung führt durchs Haus und macht die/den Kolleg:in mit allen im Team kurz bekannt. Sie nimmt sich Zeit für Fragen und erkundigt sich zum Feierabend in den ersten Tagen immer wieder nach dem Befinden sowie dem persönlichen Erleben. Bewährt hat sich, neuen Fachkräften am ersten Tag noch keine pädagogischen Aufgaben zu übertragen, sondern ihnen Zeit zu geben, sich mit dem Haus, dem Team und den Kindern vertraut zu machen. Richtig lustvoll wird der erste Tag, wenn die neue Fachkraft bei einer Erkundungsrallye Aufgaben löst, die sie sowohl mit dem Haus vertrauter macht als auch Orientierung in Abläufe und Team schafft – gerne mithilfe der Kinder und Kolleg:innen.

Weniger verspielt, aber auch als sehr hilfreich empfinden die Kitas Willkommensmappen. Diese können neben Informationen und Organisatorischem einen persönlichen Willkommensbrief enthalten. Hierbei geht es darum, die neue Kolleg:in als Team willkommen zu heißen und eine offene, kollegiale Haltung auszudrücken (zum Beispiel Wertschätzung, Stärkenorientierung, Hilfsbereitschaft, Fehlerfreundlichkeit).

Zudem kann das Team Wünsche und Erwartungen an die Kolleg:innen nennen (beispielsweise Humor, Offenheit, die Bereitschaft sich einzubringen). Den Brief sollte das Team gemeinsam entwickeln und er sollte nicht mehr als eine Seite umfassen.

Ein herzliches Willkommen kann man auch mithilfe der Kinder gestalten. Was wollen sie von dem noch unbekannten Menschen wissen, welche Erwartungen haben sie? Einige Kinder haben Freude daran, neue Kolleg:innen durch die Kita zu führen, sie auf interessante Orte hinzuweisen („Da kann man am besten toben!“) und Abläufe zu erläutern. Vielleicht binden Sie neue Kolleg:innen außerdem direkt in ein Begrüßungslied oder -ritual ein. Die Fachkraft kann sich den Kindern vorstellen und dabei erzählen, woher sie kommt, woran sie Freude hat (in Freizeit oder Beruf) und was sie in die Kita geführt hat (beispielsweise Ausbildung, Praktikum, Umzug). Womöglich entsteht ein Gespräch daraus – ein erster vertrauensbildender Dialog.

Der folgende Fall zeigt, welche Fragen und Ideen entstehen können, wenn sich ein Team sorgfältig mit den Voraussetzungen für eine gelungene Einarbeitung auseinandersetzt.

Wir waren alle mal neu! Eine Teamsitzung zur Einarbeitung

Donnerstagabend geht in der Kita „Berliner Straße“ keine:r der 14 Kolleg:innen nach der Dienstberatung sofort nach Hause. Sie haben heute eine verblüffende Erfahrung gemacht: Niemand von ihnen hat eine Einarbeitung erhalten, mit der sie oder er tatsächlich zufrieden war. Aber alle haben klare Ideen davon, was ihnen das Ankommen erleichtert und die Arbeit von Anbeginn angenehmer gemacht hätte. Drei Flipcharts hat das Team zu der Frage ausgefüllt, was eine gute Einarbeitung ihrer Meinung nach ausmacht. Alle haben gemeinsam überlegt: Welche Punkte berücksichtigen wir bislang schon? Fast die Hälfte. Das nehmen Leitung und Team mit Erleichterung zur Kenntnis. Ein paar Ideen aus Erfahrungen in anderen Kitas und aus anderen Berufsfeldern lassen sich rasch umsetzen.

Auch neuere Kolleg:innen sind erleichtert. Ihre Bedürfnisse werden anerkannt. Manch gestandene Kolleg:in berichtete von ihrer Sorge, den angemeldeten Erfordernissen nicht gerecht werden zu können: Kinder bei wenig Personal betreuen und parallel dazu neue Kolleg:innen einarbeiten, das kostet Kraft und Zeit und bringt Unwägbarkeiten mit sich. Es bleibt erst einmal offen, wie das unter einen Hut zu bringen ist. Einigkeit besteht darin, diese Fragen als Team zu lösen. Alle wollen mehr aufeinander achtgeben, sich helfen und den Zusammenhalt pflegen.

Mittelfristiges Ziel: personell ruhigere Fahrwasser erreichen. Man braucht drei neue Mitarbeitende, der ständig hohe Krankenstand soll reduziert werden. Zuletzt verließen zwei neue Kolleg:innen noch während der Probezeit wieder die Kita. Deswegen reflektiert das Team unter anderem die Einarbeitungsprozesse, um diese bewusst neu aufzustellen. Dabei überrascht, dass man Naheliegendes vernachlässigt hat: Neben vielen notwendigen Sachinformationen zur alltäglichen Arbeit kam der Beziehungsaufbau zu neuen Mitarbeitenden zu kurz. Nun soll jede Fachkraft für sich bis zur nächsten Dienstberatung die folgenden Fragen beantworten:

  • Was wünsche ich neuen Kolleg:innen für ihren Start und was brauchen sie, um gut in unserem Team anzukommen?
  • Will und kann ich bei Einarbeitungsprozessen besonders verantwortlich werden, zum Beispiel als Pat:in?
  • Was kann ich selbst beitragen, auch wenn ich keine unmittelbare Verantwortung übernehme?
  • Was lässt sich ohne viel Zeitaufwand realisieren? Was braucht mehr Zeit?
  • Was wird oft vergessen (gerade bei Zeitmangel)?

Ein Methodentipp zu unserem Beispiel aus der Praxis:

Zur Vorbereitung von Einarbeitungsprozessen kann ein Team über diese Fragen ins Gespräch kommen:

  • Was macht aus unserer Sicht einen gelungenen Start aus?
  • Welche Wünsche und Erwartungen haben wir an unsere neue:n Kolleg:innen?
  • Wie verlief der eigene Einstieg? Welche Fragen und Gefühle kamen bei mir auf? Was lief gut, was eher nicht?
  • Wer hat in unserem Team welche Aufgaben bei der Einarbeitung und wie können wir uns gegenseitig helfen?

Eine spielerische Möglichkeit, sich mit wünschenswerter Willkommenskultur zu befassen, ist die Kopfstandmethode. Was müssen wir als Team tun oder lassen, damit eine Einarbeitung krachend scheitert? Einige Beispiele:

  • Wir begrüßen neue Kolleg:innen nicht.
  • Wir lassen sie „im Regen“ stehen.
  • Wir warnen sie vor der Kita oder einzelnen Kolleg:innen.
  • Wir wissen selbst nicht, dass jemand neu anfängt.
  • Wir geben neuen Kolleg:innen alle Informationen auf einmal, sie werden sich schon das Richtige herauspicken.
  • Wir prüfen gleich, wo die Belastungsgrenze der Neuen liegt.
  • Wir lassen neue Kolleg:innen am ersten Tag alleine arbeiten.
  • Wir bremsen sie aus: „Das machen wir schon immer so!"

Zunächst wird alles aus negativer Sicht beschrieben und dann in ein positives Ziel umgewandelt.

Aus einer anderen Richtung

Quereinsteiger:innen sind zu Beginn der Einarbeitung in einer besonderen Situation. Wie viel Vorerfahrung, Fachwissen und welche Motivation einzelne neue Kolleg:innen in ein Team mitbringen, ist unterschiedlich. Unser Projekt nimmt im Zusammenhang mit multiprofessionellen Teams auch den Quereinstieg in den Blick. Als ganz besondere Herausforderung nennen Kitas immer wieder, dass viele Quereinsteiger:innen am Anfang aufgrund fehlender Erfahrung und Fachkenntnisse noch nicht eigenverantwortlich Kinder betreuen sollten. Erst einmal fachfremde Kolleg:innen benötigen deutlich mehr Zeit, um sich in die Arbeitsabläufe einer Kita einzufinden und diese selbstständig und eigenverantwortlich mitzugestalten.

Die Einarbeitung erfordert gerade in den ersten Wochen und Monaten besondere Anleitungszeit durch Leitung, Anleiter:innen sowie das Team. Zudem ist auch in der Personalplanung zu berücksichtigen, dass die neuen Kolleg:innen diese Zeit brauchen. Sie werden in Berlin beispielsweise zu 100 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet, benötigen aber zusätzliche Ressourcen für den Austausch und die Reflexion mit dem/der Anleiter:in. Man sollte ihnen auch mehr Zeit dafür einräumen, ihr pädagogisches Handeln mit den Kindern zu planen, abzustimmen und vorzubereiten. Immerhin verfügen sie in der Regel über weniger Erfahrung und Wissen als ausgebildete Erzieher:innen.

Neue Kolleg:innen, die noch über wenig Erfahrung als Pädagog:in verfügen, wollen von Beginn an gut über Abläufe, Strukturen und Prozesse informiert werden, um sich in dem neuen Berufsumfeld zurechtzufinden. Hier ist die Leitung gefordert, genau nachzuvollziehen, wo die/der Kolleg:in steht und was sie für ihre Einarbeitung braucht. Solche Besonderheiten des Quereinstiegs können in einem Team Vorurteile bestärken. Es ist nützlich, sich diese als Team bewusst zu machen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Den damit verbundenen Fragen nicht auszuweichen, sondern offen darüber zu sprechen, braucht Zeit und man muss im Team klären: Wie und aus welcher Motivation heraus können und wollen sich die neuen Kolleg:innen einbringen? Folgende Fragen sind wichtig:

  • Welche Stärken und Kompetenzen bringt die/der neue Kolleg:in aus ihren/ seinen bisherigen Berufsfeldern mit?
  • In welche Aufgaben muss die neue Kollegin/der neue Kollege erst noch hineinwachsen, mit der Möglichkeit, eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen?

Daneben bringen Quereinsteiger:innen Erfahrungen und Kenntnisse aus anderen Berufsfeldern und Lebensbereichen mit. Ein Gewinn für die gesamte Kita entsteht, wenn man frühzeitig individuelle Stärken sowie Kompetenzen erfragt und erkennt. Bieten sich der neuen Kollegin oder dem neuen Kollegen Entfaltungsmöglichkeiten, die an ihren/seinen Stärken und Interessen ansetzen, gewinnt sie oder er Zutrauen in das Tun, fühlt sich gesehen und einbezogen. Zusätzlich erhält die Fachkraft die Gelegenheit, sich in der Arbeit mit den Kindern und Familien als selbstwirksam zu erleben. Dass solche Stärken und Fertigkeiten oft nicht eins zu eins auf die Arbeit mit Kindern übertragbar sind, ist selbstredend, was man aber trotzdem leicht übersieht. Wer zum Beispiel als Schreiner:in gearbeitet hat, kann nicht automatisch auf pädagogische Weise ein Baumhaus bauen und die Kinder in allen Phasen daran beteiligen. Hierzu ist es förderlich, Offenheit zu signalisieren und sich gegenseitig zu bestärken. Man sollte Handlungen zudem aber unter pädagogischen Gesichtspunkten analysieren und den Austausch im Team ermöglichen. Solche Reflexionen führen auch bei pädagogisch erfahrenen Kolleg:innen regelmäßig zu Aha-Erlebnissen. Gegenseitige Erwartungen wie auch Unsicherheiten und Befürchtungen aktiv anzusprechen hilft, pädagogisches Handeln auf seine Ziele hin zu überprüfen (Bildungsverständnis) und Kolleg:innen nicht auf bestimmte Fertigkeiten festzulegen. So lernt man voneinander und miteinander.

Björn Sturm ist Diplom-Pädagoge und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Kita Institut für Qualitätsentwicklung. Er betreut dort die Praxisprojekte „Konsultationskitas des Landes Berlin“ und „Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams“.
Kontakt: sturm@beki-qualitaet.de

Thomas Pappritz ist Diplom-Psychologe und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Berliner Kita Institut für Qualitätsentwicklung. Er betreut dort die Praxisprojekte „Begabungen in Kitas fördern“ und „Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams“.
Kontakt: pappritz@beki-qualitaet.de

 

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