13.03.2023
Heike König, Florian Esser-Greassidou

Pro & Contra: Vorbereitete Angebote

Lernschubladen, Kopiervorlagen, Ausmalbilder, Lerntabletts, vorbereitetes Spielzeug: Sind Ideen wie diese in Zeiten von Begleitpädagogik statt Angebotspädagogik noch okay?

Pro – Neues Futter fürs Gehirn

Vorbereitete Angebote verfolgen klar definierte Ziele in allen Bildungsbereichen und Lernfeldern, ermöglichen Kindern mit Themen, Materialien, Sinnesreizen und Denkanstößen in Kontakt zu kommen und helfen, dem Tagesablauf Struktur zu geben.

Kinder besitzen eine angeborene Lernfähigkeit, die sich stetig weiterentwickelt und entfaltet. (Selbst-)Bildungsprozesse des Kindes sind unter anderem abhängig von der aktiven Beteiligung des Erwachsenen. Nur durch reichhaltige Anreize kann das Kind forschend und gestaltend seine Welt vielseitig kennenlernen und erobern. Und nicht immer stehen reichhaltige Anreize ohne Zutun von Erwachsenen zur Verfügung.

Vorbereitete Angebote eignen sich hervorragend, um Interessen des Kindes aufzunehmen, zu vertiefen und sein Weltwissen zu erweitern. Sie bringen das Kind mit neuen kognitiven Leistungen, Materialien, motorischen Herausforderungen, sinnlichen Momenten oder sozial-emotionalen Erfahrungen in Kontakt, die das Kind ohne erwachsene Impulse nicht haben kann.

Ein vorbereitetes Angebot bedeutet ja, eine durchdachte und zielgerichtete Aktivität zu moderieren (nicht: zu führen), Kinder selbständig arbeiten zu lassen und durch ihre Sinneswahrnehmung und komplexen Denkprozesse ihr Bild von der Welt zu erweitern.

Vorbereitete Angebote können je nach Interesse der Kinder wiederholt werden und im stressigen Alltag durchaus ein „Anker“ sein, der Ruhe und Sicherheit in die Gruppe bringt. Gerade dann sind vorbereitete Angebote praktisch: Sie sind schnell abrufbar und umsetzbar und sorgen für Abwechslung im Tagesablauf. Die Kinder werden fragen: „Wann machen wir wieder?“ und damit Ihren erwachsenen verantwortungsvollen Beitrag für die kindlichen Bildungsprozesse einfordern.

Heike König leitet eine große Kita mit mehreren Krippenkinder-Gruppen. Für KrippenKinder berichtet sie aus der Praxis in Pflege und Gesundheit und über das, was im Alltag auffällt und mehr Gehör – auch in der Öffentlichkeit – braucht.

Contra – Selbstbestimmtes Spiel statt Stundenplan!

Vorbereitete Angebote in Kitas sind vergleichbar mit einer Rolltreppe. Sie ist komfortabel, erspart den mühsamen Aufstieg und wird gerne genutzt. Nutzt man sie ständig, stellt sich Gewohnheit ein, Eigenmotivation sinkt und Automatisierung wird zum Standard.

Eben dieser Zustand stellt sich bei Kindern ein, die sich an gewisse Animation gewöhnen und den Weg als Ziel nicht schätzen lernen. An das Kind wird vorgekautes Wissen herangetragen und ihm in einer arrangierten Versuchsanordnung oder Laborsituation zur Verfügung gestellt. Angebote wie diese, die formativ und genau terminiert sind, negieren die intrinsische Motivation des Kindes. Lernen findet aber dort statt, wo sich Kinder ihrer selbstgewählten Tätigkeit hingeben, in ihr Tun versenken und emotional involviert sind. Wenn man Kinder lässt, schaffen sie sich und anderen selbst Angebote. Diese folgen keinem oktroyierten Curriculum, sondern ihrer genuinen Spielfreude und kindlichen Kreativität. Bei vorbereiteten Angeboten fehlt der Eigenanteil des Kindes an seinem Bildungsprozess.

Hier ist kritisch zu hinterfragen, ob es sich dabei um die Anpassung kindlicher Tätigkeit an das Ersuchen der Erwachsenenwelt handelt. Problematisch ist, dass solche Angebote ein Lernziel ausgeben, auf gewissen Output setzen und Kinder zu Statisten degradieren. Im Zentrum stehen vielmehr ordnungsgemäße, wohl überlegte Prozessschritte und nicht das sich bildende Kind. Dieser Ansatz unterliegt unweigerlich der Willkür der Erwachsenen und begrenzt (aktiv) die Autonomie der Kinder.

Das Bildungsverständnis wird romantisch verklärt und der inhärenten Unfreiwilligkeit solcher Angebote ein lernzuträglicher Nutzen angedichtet. Janusz Korczak formulierte „Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag“, nach dem das Kind frei ist, seinen Tag beliebig zu gestalten und nicht durch Erwachsene bestimmen zu lassen. Selbstbestimmtes Spiel muss Ultima Ratio bei der Alltagsgestaltung sein, anstelle von didaktisch- methodischen Aktivitäten nach Stundenplan.

Florian Esser-Greassidou ist Autor und Qualitätsleitung bei den Villa-Luna-Kindertagesstätten.

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