14.04.2022
Heike Heilmann

Nur ich bin jetzt wichtig!

Manchmal sieht man als Mensch den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und manchmal sieht man als Erzieher:in das einzelne Kind vor lauter Kindern nicht. Aber genau so wenig, wie ich als Mensch einen kompletten Wald umarmen kann, gelingt es mir als Erzieher:in, alle Kinder gleichzeitig gerecht zu werden. Wie also kann es gelingen, im tagtäglichen Trubel der Kita-Arbeit das Kind als Einzelwesen wahrzunehmen und ihm in seinem „Gesehen-werden-wollen“ gerecht zu werden?  

Ich will anregen zur Hinwendung zu jedem einzelnen Kind der Kita – auch wenn es auf den ersten Blick unmöglich erscheinen mag, das umsetzen zu können. Dazu ist es wichtig, sich als Erzieher:in Fragen zum beruflichen Kita- Alltag zu stellen:

  • Wie wichtig ist es für mich, dass Kinder Aufmerksamkeit von mir als Bezugsperson erfahren?
  • Was fällt mir spontan ein, wie und wann Kinder von mir ganz bewusst als Einzelperson erlebt werden?
  • Was geschieht in Eins-zu-eins-Kontakten zwischen einem Kind und mir?
  • Haben Eins-zu-eins-Kontakte eine positive Auswirkung auf die Erzieher:in-Kind-Beziehung und falls ja, welche?
  • Was tun Kinder, um Aufmerksamkeit zu erlangen?
  • Welches Verhalten führt in der Regel dazu, dass ich Kindern meine volle (also ungeteilte) Aufmerksamkeit schenke?
  • Wenn ich mein Gruppenbuch zur Hand nehme und darin sämtliche Kindernamen durchgehe – wie gut auf einer Skala von 0 bis 10 kenne ich jedes einzelne Kind?
  • Wie hoch schätze ich als Bezugsperson meine Eins-zu-eins-Kontakte mit den einzelnen Kindern ein (wenn 0 für keine Kontakte steht und 10 für sehr häufige Kontakte)?
  • Und wenn ich mich mit Kolleg:innen darüber austausche, kommen wir zu übereinstimmenden Einschätzungen?
  • Was kann ich methodisch tun, um an nachprüfbare Ergebnisse der Einzelkontakte zu gelangen?

Ein Praxisimpuls:

Starte damit, dir zu überlegen, mit welchem Dokumentationsverfahren du am besten klarkommst.

Manchen liegt es eher, ein kleines Notizbuch bei sich zu führen (in der Hosentasche beispielsweise), um sich direkt Notizen machen zu können. Manchen liegt es eher, eine zusätzliche Spalte im Gruppenbuch einzufügen und dort die Einzelkontakte zu dokumentieren. Denkbar ist – in Absprache mit dem Team und der Kita-Leitung – ein Tablet zu nutzen oder vielleicht sogar ein Wochenprojekt daraus zu entwickeln, in dem eine Kolleg:in das Zählen der Eins-zu-eins-Kontakte von Kolleg:innen dokumentiert. Wechselt man sich darin ab, entstehen Zahlen und eine neue Form der Zusammenarbeit gleichzeitig, zumal der Faktor der Beobachtung hinzukommt, was die Auswirkungen auf die Erzieher:in-Kind- Beziehung zusätzlich stärker mit einbindet, weil ein:e Kolleg:in die Einzelkontakte bewusst wahrnimmt und dokumentiert. Wenn das Tablet zum Einsatz kommen sollte, kann darüber auch eine Aufnahme der Eindrücke über eine Sprachapp bzw. Tonaufnahme erfolgen. Hierbei ist natürlich wichtig, sich an die datenschutzrelevanten Vorgaben zu halten. Du entscheidest im Kontext deiner Kita und der darin möglichen Dokumentationsverfahren, wie du die Einzelkontakte nachvollziehbar festhalten kannst.

Kannst du Muster bei dir entdecken, zu welchen Zeiten oder mit welchen Kindern es zu bestimmten Einzelkontakten kommt?

Prima! Dann gewinnst du Anhaltspunkte, was du im Umgang mit deinen zeitlichen und strukturellen Ressourcen ändern kannst, um Eins-zu-eins-Situationen zu optimieren.

Gibt es Kinder, zu denen du sehr wenige oder sehr viele Eins-zu-eins-Kontakte pflegst?

Jetzt ist es an der Zeit, dich kritisch zu hinterfragen, woran das liegen könnte – am besten gelingt das, wenn du gemeinsam mit Kolleg:innen mehrperspektivisch darauf blickst und dich austauschst.

Welche Ziele möchtest du hinsichtlich einer kindzentrierten Arbeit mit den Kindern erreichen?

Nutze deine dokumentierten und ausgewerteten Notizen, um den Blick für das einzelne Kind zu schärfen und dich dafür stark zu machen, dass kein Kind ohne die bewusste und gezielte Individualbetreuung in seiner Kita-Lebenswelt aufwachsen sollte! Formuliere konkrete Aktionen, mit denen du das Kind ins Zentrum deiner Arbeit rückst, vom einfachen

„Ich will dieses Jahr mit jedem Kind einzeln eine Laterne basteln …“

 … über …

„Jedes Kind meiner Gruppe soll mindestens einmal im Monat 10 Minuten Eins-zu-eins-Zuwendung mit mir haben …“ … bis hin zu … „Entwicklungsgespräche bereite ich vor, indem ich alle dokumentierten Einzelkontakte studiere und in das Elterngespräch einfließen lasse – um so den Eltern mein Verständnis von Kindzentrierung zu veranschaulichen!“

Heike Heilmann, Erziehungswissenschaftlerin,Autorin und Fortbildnerin.

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