27.03.2023
Ludger Pesch

Mann engagiert sich

Vorsicht, Klischeefalle: Wenn sich Männer in der Kita beteiligen, dann oft nur als Klempner oder Fußballspieler. Zeit, das zu ändern. Unser Autor zeigt, wie Sie Ihre Kita väterfreundlicher machen können. Denn Papas sind vieles, und vor allem: eine wichtige und vielseitige Ressource.

Welche Bilder fallen Ihnen ein, wenn Sie an Männer in der Kita denken? Vielleicht die: Der Haushandwerker re­pariert den tropfenden Wasserhahn. Zwei Väter bereiten das Martinsfeuer vor. Mehrere Papas streichen am Wochenende den Turnraum. Ein Großvater kommt regelmäßig zum Vorlesen, und der Praktikant spielt mit den Kindern Fußball. Wenn Sie das in Ihrer Kita erleben, haben Sie Glück: Mann ist engagiert. Sie möchten die Männer aber intensiver und vielseitiger einbeziehen? Dann habe ich hier einige Ideen, wie Sie das umsetzen können.

Mehr als Raufbolde

Die oben skizzierten Situationen verbindet, dass sie – für sich allein betrachtet – Eventcharakter haben. Der vorlesende Großvater ist ein Exot in einem noch immer weiblich dominierten Handlungsfeld. Vor allem aber werden oft unbewusst stereotype Männlichkeitsbilder wiederholt, wenn Männer immer wieder ausschließlich als Handwerker angefragt werden. Und selbst in der häufig gehörten Schilderung, wie schön es für Kinder sei, mit einem jungen Mann zu kicken, steckt ein Stereotyp: Männer als beliebte Raufbolde, die Kinder in risiko­ und aktionsreiche Spiele verwickeln sollen.

Dabei brauchen Kinder Männer, die sich mit ihnen im Alltag engagieren. Natürlich kann die Kita das herrschende geschlechterbezogene Rollenverhältnis nicht allein verän­dern. In unserer Gesellschaft sind stereotype Rollenverhältnisse tief verankert. Dennoch hat die Institution Kita gute Chancen, zu einem Wandel beizutragen: Es ist die erste soziale Einrichtung, die fast alle Familien für mehrere Jahre besuchen – und das in einer Familienphase, die noch sehr gestaltbar ist. Viele junge Väter – gemeint sind biologische wie soziale Väter – suchen inzwischen neue Rollenanteile ihres Mannseins. Und dafür kann ihnen die Kita Angebote machen.

Erfahrungen zeigen, dass Väter gerne mit ihren Kindern gemeinsam etwas gestalten. In einem Projekt stellten wir in einer Elternbefragung rund tausend Vätern die Frage, ob sie bereit wären, sich in der Einrichtung ihrer Kinder mehr als bisher zu engagieren. Ein Drittel aller antwortenden Väter bejahten die Frage. Welch eine Ressource! Es muss Gründe geben, warum dieses Drittel noch nicht aktiviert ist. Deshalb möchte ich vor den praktischen Tipps einige Gedanken zu grundlegenden Bedingungen anstellen.

Es ist schwer, über Männer oder Väter zu schrei­ben, ohne Klischees zuwiederholen. Für das richtige Ver­ständnis dieses Beitrags ist es deshalb wichtig, dass sich die Aussagen über Väter immer nur auf statistische Häufigkeiten beziehen. Jeder Vater ist anders und muss dem nicht entsprechen. Im Übrigen zeigt sich für alle Überlegungen, dass Väterfreundlichkeit nur ein besonderer Akzent einer allgemeinen Elternfreundlichkeit ist. Das meiste, was ich im über Väter sage, gilt auch für viele Mütter und andere Bezugsper­sonen.

Eine Kita, die den Kindern mehr Alltagskontakte mit Vätern und Großvätern ermöglichen möchte, sollte ihre Konzeption, also ihre Ziele und deren Umsetzung, systematisch auf Väterfreundlichkeit prüfen. Nehmen Sie die Genderperspektive ein. Auch wenn es anfangs etwas künstlich wirkt: Sprechen und schreiben Sie durchgehend von Vätern und Müttern statt von Eltern. Betonen Sie, wie wichtig beide für die Entwicklung ihres Kindes sind und wie wichtig es Ihnen ist, zu beiden Kontakt zu haben.

Vätern nannten in Befragungen vor allem Terminkonflikte und Zeitmangel als größtes Hindernis, sich in der Kita zu beteiligen. Mindestens beim Problem der Terminkonflikte kann die Kita helfen, wenn sie den Vätern Zeiten anbietet, die nicht mit anderen Verpflichtungen wie der Lohnarbeit kollidieren. Es ist hilfreich und es wird positiv wahrgenommen, wenn Sie Termine für Elternversammlungen oder andere Einladungen nicht einseitig setzen, sondern die Eingeladenen an der Terminfindung beteiligen. Das Gleiche gilt für die Tagesordnung: Sammeln Sie gemeinsam Themen und setzen Sie einen zeitlichen Rahmen, damit alle zuverlässiger planen können. Und akzeptieren Sie, wenn einige Teilnehmer in einem bestimm­ten zeitlichen Rahmen zu sachlichen Ergebnissen kommen wollen.

Sprechen Sie in allen Einladungen die Väter direkt an. Laden Sie zu allen Gesprächen explizit Mütter und Väter ein. Sie können sich beim Erst­gespräch dann auch nach den beruf­lichen und außerberuflichen Kom­petenzen beider Eltern erkundigen. Die Frage an die Väter und Mütter könnte lauten: „Was machen Sie gut und gerne?“ Sie zeigen damit, dass Sie diese nicht nur als Eltern, sondern als individuelle Personen sehen. Laden Sie den Vater persönlich zur Hospitation ein. Darüber wird sich auch das Kind freuen.  Stillen Sie den „Väterhunger“, mit dem ein Psychologe einmal die Situation kleiner Kinder beschrieb. Ein starkes Signal wäre auch, wenn Sie sich bezüglich der Elterngremien für eine Geschlechter­Parität aussprächen. Ent­scheiden müssen darüber dann die Eltern selbst.

Ein scheues Reh

Manchen Männern, die noch ungeübt in ihrer Vaterrolle sind, fällt es leichter, männliche Fachkräfte anzusprechen. Es weckt Vertrauen, wenn Sie auch männliche Fachkräfte be­schäftigen und sie ein selbstverständlicher Teil des Teams sind.

Und noch ein praktischer, oft übersehener Aspekt: Es ist für alle Er­wachsenen, aber eben auch für Väter nicht angenehm, sich über längere Zeit auf Kinderstühlchen räkeln zu müssen. Selbst ein paar einfache Klappstühle aus dem Möbelhaus wä­ren eine willkommene Alternative für Elternversammlungen. Übrigens: Im Projekt „MAIK – Männer arbeiten in Kitas“ hat der Kölner Diözesan­Caritasverband eine Checkliste sowie ein Stufenkonzept zur Entwicklung von Väterfreundlichkeit entwickelt. (Die Checkliste finden Sie auf unse­rer Homepage. Nähere Infos dazu am Ende des Artikels.)

Es steckt mehr in ihnen

Auf der Grundlage einer allgemeinen Eltern­ und besonderen Väter­freundlichkeit werden Sie es leichter haben, Vätern und Großvätern das Haus für vielerlei Aktivitäten zu öffnen. Denn dann werden Männer zwar auch, aber eben nicht nur als Handwerker angesprochen und damit nicht auf Rollenstereotype reduziert. Väter fühlen sich in einer väterfreundlichen Kita in vielerlei sozialen Dimensionen angesprochen. Und damit erreichen Sie nicht nur die üblichen Verdächtigen für den jährlichen Anstrich und das Martinsfeuer. Sie sprechen Väter in ihrer ganzen Menschlichkeit und Väterlichkeit an, wozu es eben auch gehört, mit den Kindern und für die Kinder etwas auf die Beine zu stel­len, vorzulesen oder zu kochen.

Manche Männer träumen von einer eigenen Werkstatt, können dies aber oft aus Platzgründen nicht realisieren. Hier könnte ich mir einen guten Deal vorstellen: Stellen Sie Ihre Werkstatt nach Ihren Möglichkeiten den Vätern und Großvätern zur Verfügung. Echtes Verbrauchs­material bringen sich die Handwerker selbst mit. Und im Gegenzug er­halten Sie vielleicht nicht nur Hinweise für eine bessere Ausstat­tung der Werkstatt, sondern auch das Angebot, dass die Väter mal et­was mit den Kindern für die Kita herstellen. Vielleicht basteln alle zusammen Drachen, die man dann an einem Samstagnachmittag gemeinsam in die Lüfte steigen lässt. Oder wie wäre es mit Nistkästen, Schatz­truhen oder Rollbrettern?

„Heute kocht Papa“ könnte kochaffine Väter zu einem erfolgreichen Team zusammenschweißen. In einer Kölner Kita fanden es die Kinder toll, mit den Vätern in der Küche zu stehen. Nach dem Verzehr der stolz auf die Tische getragenen Köstlichkeiten und nach dem obligatorischen Abwasch gibt es noch Gelegenheit, ge­meinsam in der Kita zu spielen.

Ausgehend von der Beschwerde eines Mädchens, dass immer nur dieselben Kinder den beliebten Kletterturm besetzen, entwickelt die Kindergruppe eines Bozeners Kindergartens in einem demokratischen Prozess die Idee eines zweiten Kletterturms, der über eine Brücke mit dem ersten verbunden ist. Um diese große Idee zu realisieren, wer­den die Eltern um Hilfe gebeten – und zwar nicht in Spendenform, sondern in Form von echter Beteili­gung. Väter engagieren sich als  Statiker, Netzwerker zur Gemeinde und zuletzt auch als Handwerker –seit einigen Jahren ist der ursprüng­liche Traum einer Kindergruppe sichtbare Realität.

Eines Tages schenkt ein Großvater der Kindertagesstätte Rieselfeld ein Schachspiel, das er nicht mehr benötigt. Eine aufmerksame Fachkraft fragt nach und erfährt, dass er kaum noch Gelegenheit findet, selbst zu spielen. Aus dem Gespräch entwickelt sich die Idee, dass er interessierte Kinder in die Welt des Schachspielens einführt. Das Projekt gipfelt in einem Simultan­Schachturnier, das der Spender gegen eine Reihe von Kindern spielt – und wel­ches ein großes Publikum findet. Seitdem gehört das Schachbrett zur Spieleausstattung der Einrichtung.

Schnarcher vertreibt Bär

Zu den jährlichen Highlights Ihrer Einrichtung könnte auch ein Vater­Kind­Wochenende gehören. Wie das genau aussehen soll, müssen die Beteiligten miteinander klären. Es gäbe viele Möglichkeiten: Übernachten im Bewegungsraum oder in Zel­ten, gemeinsames Kochen in der Küche oder am Grill oder Lagerfeuer, gekauftes oder gesammeltes Brennholz, Spielen auf dem Außengelände oder eine Tour mit Kanus. Und seien Sie wegen der Sicherheit unbesorgt. Denn wie heißt es in einem Projektbericht? „Dank lautstarkem Schnar­chen in dem einen oder anderen Zelt wurden mögliche nächtliche Angriffe von Bären erfolgreich abgewehrt.“ Wenn Sie die beruflichen und außerberuflichen Kompetenzen der Väter und Mütter kennen, können Sie diese bei Bedarf gezielt ansprechen. Ihre Kita­Eltern repräsentieren meist eine Bandbreite von Kompetenzen, die Sie nutzen können. Viele engagieren sich gerne; Väter vor allem dann, wenn sie aufgrund ihrer nachgefragten Kompetenz in einer überschaubaren Zeitspanne einen wertvollen Beitrag leisten können. Wen könnten Sie nicht alles brauchen: Webdesigner, Tischler, Ärzte, Papierfliegerfalter, Buchhändler, Maler, Köche, Journalisten, Artisten, Ortschronisten, Naturkundelehrer, Mehrsprachler, Sportler, Animateure, Landwirte, Künstler und Überlebenskünstler.

Männer sind anders – auch unter­einander und voneinander. Geben Sie ihnen die Gelegenheit, ihre gesamten Möglichkeiten auszuspielen. Mann wird es Ihnen danken! 


Reflexionsfragen fürs Team

Denken Sie die Väter mit?

  • Haben Sie die Kontaktdaten von beiden Elternteilen?
  • Laden Sie zu Elternabenden und Entwicklungsgesprächen auch die Väter ein?
  • Wen bitten Sie bei Bastelangeboten um Hilfe? Wen fragen Sie, wenn etwas repariert muss?
  • Kennen Sie die Väter aller Kinder?
  • Welche Aufgaben übernehmen die Väter gern?
  • Welche Eltern-Angebote nehmen Väter häufig an?

Weitere Ideen, wie Sie Ihre Kita väterfreundlicher gestalten können, finden Sie auf unser Downloadseite unter dem Link am Ende des Artikels.


Literatur

Sie interessieren sich für die verwendete Literatur? Die Liste steht hier für Sie bereit: http://bit.ly/tps-literaturlisten

Sie interessieren sich für die Checkliste des Kölner Diözesan-Caritasverbands zur Väterfreundlichkeit in Kitas? Dann schauen Sie auf unserer Homepage vorbei. Hier finden Sie die Checkliste als Kopiervorlage: http://bit.ly/3ZuEl5c.

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